Der Rubin der Oger
schnell zu einem flammenden Inferno werden. Mit Feinden im Nacken durch brennende Straßenzüge zu flüchten war reiner Selbstmord.
Ein breiter Schatten schob sich vom Nachbargebäude über den schmalen Steg zum Haus des Hafenmeisters. Langsam kroch er die Wand empor und hielt erst kurz unterhalb des Daches inne. Der Elf war immer noch abgelenkt durch das Feuer im Westen. Lord Felton traute seinen Augen kaum, aber aus der Deckung des Hauses trat die Gestalt eines Ogers hervor. Von allen Ogern, die Felton bisher gesehen hatte, war dies der mit Abstand mächtigste. Er war fast einen Kopf größer und mindestens zweihundert Pfund schwerer als die anderen Angehörigen seiner Rasse. Anstatt sich anzuschleichen, näherte sich der Koloss in kaum gebückter Haltung. Ein schneller Angriff schien ihm wichtiger zu sein als ungesehen zu bleiben. Seine Bewaffnung ließ ihn zudem noch barbarischer aussehen, als es diesen Kreaturen ohnehin schon zu eigen war. In seinen Händen lag eine Holzbohle, deren Ende mit zahlreichen Metallzinken gespickt war.
Mit zwei mächtigen Schritten war er heran und schwang seine improvisierte Keule über die Dachfläche. Der Elf bemerkte nichts von dem herannahenden Tod und wurde von der Wucht der Waffe einfach mitgerissen. Sein Körper wickelte sich um die Keule und wurde von den Zinken aufgespießt. Mit einem weiteren Schlag zerquetschte der Oger seinen Gegner und ließ die Waffe in den Dachbrettern stecken.
Der andere Elf, der sich zwischen den Fässern verschanzt hatte, bemerkte den Tod seines Kameraden zu spät. Er sprang auf und führte eine große, schneckenförmige Muschel an den Mund. Ein dumpf dröhnender Laut ertönte, doch der Ton erstarb, als eine Harpune seinen Leib durchstieß. Erst jetzt sah Lord Felton einen anderen Oger mit großflächigen Tätowierungen. Er hielt zwei Harpunen in der Hand. Die Ornamente auf seinem Körper wiesen ihn als Kriegsoger aus. Felton kannte ihn, auch wenn es schon Jahre her war, dass er ihn zuletzt gesehen hatte. Es war Rator, der Kriegsoger, der damals Seite an Seite mit Mogda gekämpft hatte.
Felton verlor keine Zeit. Er trat die Tür auf und rannte den schmalen Holzsteg Richtung Osten entlang. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihm, dass seine Mitgefangenen ihm folgten. Er strebte einer schmale Gasse zu, an die er sich aus früheren Besuchen in Sandleg zu erinnern glaubte. Wenn seine Orientierung ihn nicht im Stich ließ, musste sie zu dem kleinen Fischmarkt im Osten führen. Von dort aus waren es nur wenige hundert Meter zum Stadttor.
Fast parallel zu sich sah er den großen Oger, der den ersten Wachposten der Elfen ausgeschaltet hatte. Die Planken des Hafenviertels hielten dem Gewicht des Ogers nicht stand. In kurzen, fast rhythmischen Abständen hörte man das Bersten von Brettern und Balken, die unter den Füßen des Kolosses zerbarsten. Schnell geriet er außer Sicht, nur der Lärm der Zerstörung zeugte von seiner ungefähren Position.
Lord Felton und der Trupp in seinem Schlepptau folgten dem Weg zwischen den Häusern. Die Gebäude boten ihnen Schutz vor ihren Verfolgern und vereitelten jeden Versuch, sie mit den vergifteten Pfeilen anzugreifen. Langsam kamen Felton erste Zweifel, ob er wirklich den richtigen Weg gewählt hatte. Die Häuser hier sahen eher nach dem Armenviertel als dem Markt aus. Die Gasse knickte ab, und fünfzig Schritt vor ihnen lag die Werkstatt eines Schmieds, die den Durchgang blockierte. Die Feuer der Esse waren erloschen, und der Blasebalg aus Ziegenleder lag achtlos vor dem Eingang. Auf dem ganzen Weg hierher war ihnen keine Menschenseele begegnet. Sandleg wirkte wie eine Geisterstadt. Bevor sie den Unterstand des Schmieds erreichen konnten, sprang einer der dunklen Elfen auf das leicht geneigte Vordach. Das Blasrohr auf sie gerichtet hatte er freies Schussfeld.
Felton und den anderen blieb nichts übrig, als weiter auf ihn zuzuhalten. Der erste Pfeil traf eine junge Frau in der Mitte der Gruppe. Sie lief noch ein Stück weiter, dann sackten ihr die Beine weg. Schon hatte der Elf sein nächstes Opfer im Visier, und für Felton gab es keinen Zweifel, auf wen er zielte.
Felton suchte nach einem schützenden Hauseingang, als sich die Bretter des Vordachs, auf dem der Elf hockte, durchbogen. Gleichzeitig brach der Oger von der anderen Seite durch das Haus des Schmieds und zertrümmerte es im Vorbeilaufen bis auf die Grundmauern. Der Elf hatte keine Möglichkeit, einen rettenden Sprung auf ein Nachbargebäude
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