Der Rubin der Oger
überdrüssig.
Barrasch fühlte sich wieder in die Unterhaltung eingebunden und wendete sich dem Oger zu.
»Können wir für die Zukunft einfach annehmen, dass du immer Hunger hast? Dann würde es eigentlich genügen, uns nur darüber zu unterrichten, dass du satt bist. Wir gehen dann davon aus, dass dieser Zustand nicht länger als drei Minuten anhält. Somit hätten wir uns viel unnütze Plauderei erspart.«
»Ich habe Hunger«, wiederholte Mogda. Sein Blick kehrte zu dem Kampftraining zurück. »Und, findest du nicht auch, dass Cindiel sich irgendwie merkwürdig verhält?«
»Merkwürdig für einen Oger, eine Hexe oder einen anderen Menschen?«, fragte Barrasch.
»Nur merkwürdig für Cindiel. Als ich ihr gesagt habe, dass ich nachts die Elfen gesehen habe, erinnerst du dich ...?«
»Natürlich erinnere ich mich. Mein Gedächtnis funktioniert schließlich ebenso gut wie dein Magen«, erwiderte Barrasch.
»Wie auch immer, sie hat nicht angefangen zu schreien und mich zu beschimpfen, weil ich sie nicht geweckt habe. Selbst als ich ihr die Prophezeiung gezeigt habe, blieb sie ganz ruhig. Den ganzen Tag hängt sie mit diesem Jungen rum. Und überhaupt, was soll das sein, was die beiden da veranstalten?«
Barrasch legte Mogda freundschaftlich eine Hand auf die Schulter, wobei er gerade noch seine sitzende Position beibehalten konnte.
»Das nennt man turteln.«
»Wozu soll das gut sein?«, fragte Mogda missmutig.
»Das kommt darauf an. Wenn sie gewinnt, bekommt er einen Korb und wird in den nächsten Tagen mit einem langen Gesicht herumlaufen, bis sie ihm eine Revanche gewährt. Wenn er gewinnt, hat er eine treue Gefährtin gefunden, und eine der großen Suchen im Leben eines Menschen ist beendet.«
»Los, Prinzessin, hau ihn um! Du bekommst auch einen neuen Korb von mir«, platzte es aus Mogda heraus.
Der Gefühlsausbruch des Ogers brachte die beiden jungen Leute aus dem Konzept. Sie verhakten sich bei einer komplizierten Schrittfolge, die Finnegan Cindiel schon ein Dutzend Mal erklärt hatte, und fielen rücklings in einen Strohhaufen. Barrasch drehte sich abrupt um. Seine Miene leugnete, an diesem Gespräch je teilgehabt zu haben.
»Genau das meine ich«, erklärte Mogda. »Sie ist nicht bei der Sache. Vorhin hat sie noch gesagt, es kommt kein Gewitter. Das hier sei nur ein kurzer Platzregen, und nun hör dir das an ...«
Der Regen peitschte gegen die Wände der Hütte, einige Schindeln lösten sich vom Dach, und die Vordertür drohte vollends aus dem Rahmen zu brechen. Die Kerze, die Barrasch akribisch mit ihrem eigenen Wachs auf dem Tisch festgeklebt hatte, flackerte kurz auf und erlosch. Die überraschende Dunkelheit schien niemanden zu stören. Im Gegenteil, Cindiel kicherte albern auf ihrem Strohlager.
Mogda schloss die Augen, um sich während der letzten Stunden vor Tagesanbruch noch etwas auszuruhen. Barrasch kramte in seinem Lederbeutel herum und legte sich das Zunderkästchen zurecht. Er wartete darauf, dass sich der Wind wieder legte, um die Kerze erneut anzuzünden.
Ein dumpfes Grollen übertönte den Sturm. Der Donner war lang und anhaltend. Er füllte die Lücke zwischen zwei mächtigen Windböen, die fast Orkanstärke erreichten. Der Regen schlug horizontal gegen die morschen Bretter und trieb die Feuchtigkeit in kleinen Tropfen quer durch die Hütte.
Ein zweites Donnern, dicht gefolgt vom berstenden Krachen eines Baumstamms beendete Mogdas wohlverdiente Ruhe abrupt.
Plötzlich verstummte der Sturm, und nur das monotone Rauschen des Regens war noch zu hören. Mogda machte sich nicht viel aus gutem oder schlechtem Wetter. Ein Gewitter unter freiem Himmel zu erleben war für ihn nichts Besonderes. Er hatte schon viele regnerische Nächte unter dem Blätterdach eines Baumes verbracht, und diese Hütte bot auch nur geringfügig mehr Schutz. Das Einzige, was einem Oger etwas anhaben konnte, war lang anhaltende Kälte, und das hauptsächlich wegen der mangelhaften Nahrungsversorgung. Dieser Sturm jedoch war aus irgendeinem Grund anders.
Mogda blickte in der dunklen Hütte umher. Er hockte allein vor dem Tisch, und auch Cindiels Kichern hatte aufgehört. Nur schemenhaft erkannte er die drei Umrisse seiner Gefährten, die sich dich vor dem Türspalt versammelt hatten.
»Was ist los? Habt ihr Angst vor einem Gewitter?«
»Psst!«, ermahnte ihn Barrasch flüsternd. »Hast du schon mal einen Donner gehört, ohne vorher einen Blitz gesehen zu haben?«
Mogda wusste, dass Blitz und Donner
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