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Der Rubin im Rauch

Der Rubin im Rauch

Titel: Der Rubin im Rauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Lockhart, und du
kannst dann mit ihr sprechen. Einverstanden?" „Nein, das geht nicht.
Ich kann nie nich weg, bloß wenn Mrs. Holland mich wegschickt. Die
bringt mich sonst um."
„Die bringt dich doch nic h um, verdammt noch mal! Du mußt
herkommen, sonst -- "
„Ich kann nicht. Sie hat schon das andre kleine Mädchen, das bei ihr
war, umgebracht. Sie hat ihre ganzen Knochen rausgenommen. Hat
sie mir erzählt."
„Wie willste denn dann Miss Lockhart finden?"
„Weiß nich."
„Verflixt noch mal. Hör zu -- ich komm jeden Abend auf dem
Heimweg durch Wapping, da können wir uns irgendwo treffen, und
du sagst mir, was passiert is. Wo kannste mich treffen?"
Sie blickte zu Boden, verzog den Mund und überlegte. „Bei den
,Alten Stufen'."
„Gut. Jeden Abend bei den ,Alten Stufen' um halb sieben." „Ich
muß jetzt gehn."
„Vergiß es ja nich. Um halb sieben", rief er. Aber Adelaide war
schon verschwunden.
    13, Fortune Buildings
Chandler's Row,
Clerkenwell.
Freitag, 25. Oktober 1872
    Miss S. Lockhart
9, Peveril Square
Islington.
    Liebe Miss Lockhart,
ich möchte Ihnen gern mitteilen, daß ich etwas über die ,Sieben
Wohltaten' in Erfahrung gebracht habe. In Hollands Pension,
    Hangmans Kai, Wapping hält sich zur Zeit ein Herr namens Mr.
Bedwell auf. Er nimmt Opium und hat von Ihnen gesprochen. Er hat
auch die ,Sieben Wohltaten' erwähnt, aber ich weiß nicht, was es
bedeutet. Die Vermieterin heißt Mrs. Holland; man kann ihr nicht
trauen. Wenn Sie zum Musikpavillon in Clerkenwell Gardens kommen,
kann ich Ihnen mehr sagen.
Seien Sie versichert, daß ich Ihr treuer und ergebener Diener bin
J. Taylor Esquire
    Soweit Jims Brief, ein Muster an Geschäftskorrespondenz. Er gab
den Brief am Freitag auf, im Vertrauen darauf (schließlich war man
im 19. Jahrhundert), daß er noch am selben Tag zugestellt würde, und
daß es dann mit Sallys Brief auch so gehen würde.
    Hollands Pension
Hangmans Kai
Wapping
25. Oktober 1872
Hochwohlgeboren Samuel Selby
Lockhart und Selby
Cheapside
London
    Sehr geehrter Mr. Selby,
ich habe die Ehre, die Interessen eines Herrn zu vertreten, der
gewisse Informationen hat bezüglich Ihrer Geschäftsangelegenheiten
    im Fernen Osten. Dieser Herr wünscht kundzutun, daß er sich
gezwungen sieht, in den Zeitungen zu veröffentlichen, was er weiß,
wenn bestimmte Forderungen nicht erfüllt werden. Als Beweis seines
Wissens hat er mich gebeten, den Schoner Lavinia und einen Seemann
namens Ah Ling zu erwähnen. In der Hoffnung, daß dieser Vorschlag
Ihnen zusagt, verbleibe ich
    mit freundlichen Grüßen M. Holland (Mrs.)
P. S. Eine baldige Antwort wäre allerseits willkommen. Soweit Mrs. Holland bei ihrer Rückkehr von Swaleness (mit leeren
Händen zwar, aber nicht unzufrieden).
    Sally stand unter dem unzureichenden Schutz einer fast kahlen
Linde in Clerkenwell Gardens und wartete auf Jim. Der Regen hatte
schon Hut und Mantel durchnäßt und rann ihr jetzt den Hals hinunter.
Um überhaupt von zu Hause wegzukommen, hatte sie Mrs. Rees den
Gehorsam verweigert; sie fürchtete sich vor dem Empfang, der sie bei
der Rückkehr erwartete. Aber sie mußte nicht lange warten. Kurz
darauf kam Jim -- eher noch durchnäßter als sie -- angerannt und
schleppte sie zu dem leeren Musikpavillon, der inmitten eines
sumpfigen Rasenstücks stand.
    „Hier rein", sagte er und hob ein loses Brett an der Seite der kleinen
Bühne hoch. Wie ein Wiesel tauchte er in das dunkle Loch. Sie folgte
ihm etwas vorsichtiger zwischen Klappstuhlreihen hindurch und kam
dann zu einem höhlenähnlichen Gewölbe, in dem er schon einen
Kerzenstummel anzündete. Sie setzte sich ihm gegenüber hin. Der
Boden war staubig, aber trocken, und der Regen trommelte auf die
Bühne über ihnen, als er die Kerze vorsichtig aufrecht zwischen beide
stellte.
    „Na, wie steht's? Wülste was hören oder nich?" fragte er.
„Klar will ich was hören!"
Jim wiederholte alles, was Adelaide ihm berichtet hatte, aber er
    machte es kürzer. Er hatte ein flottes Mundwerk; die Groschenromane
waren gute Lehrmeister.
„Na, wie findste das?" fragte er, als er fertig war.
„Jim, das stimmt sicher! Mrs. Holland -- das ist die Frau, die Major
Marchbanks gemeint hat. Gestern, in Kent -- "
Sie berichtete ihm, was geschehen war.
„Ein Rubin", sagte er ehrfurchtsvoll.
„Aber ich weiß nicht recht, wie das alles zusammenpaßt. Major
Marchbanks hat zum Beispiel nie von den ,Sieben Wohltaten' gehört."
„Und der Kerl da von Adelaide hat nix von 'nem

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