Der Rubin im Rauch
muß
meinen Alptraum haben. Ich hab gehofft, daß sie verschwinden würd,
deshalb hab ich's immer wieder rausgeschoben. Und es spitzt sich
alles so zu... ich will's jetzt machen. Bleiben Sie bei mir?"
„Was -- du willst das Zeug hier rauchen?"
„Nur so kann ich die Wahrheit rausfinden. Bitte, Trembler. Bleiben
Sie da und passen auf mich auf?"
Er schluckte trocken.
„Klar, Miss. Aber wenn was schiefgeht? Was mach ich dann?"
„Ich weiß nicht. Ich vertrau Ihnen, Trembler. Sie brauchen mich...
bloß zu halten, vielleicht."
„Also gut, Miss. Ich mach's."
Sie sprang auf, küßte ihn und rannte dann zum Schrank in der Ecke.
Das Opium war in ein Stück Papier gewickelt und befand sich hinter
einem Porzellankrug in Form eines dicken Mannes auf dem obersten
Regal, und sie mußte sich auf einen Stuhl stellen, um dranzukommen.
Sie hatte ein Stück zurückbehalten, das etwa so groß war wie die
Spitze ihres kleinen Fingers, und sie hatte keine Ahnung, ob das
zuviel war oder zu wenig und auch nicht, wie sie es rauchen sollte,
denn sie hatte keine Pfeife...
Sie saß am Tisch und schob die Teller beiseite. Trembler holte
einen Stuhl, setzt e sich ihr gegenüber und stellte die Lampe so hin,
daß das Licht direkt auf das rote Wachstuch fiel. Das Feuer glomm
vor sich hin, und die Küche war warm. Sie verriegelte die Tür. Dann
wickelte sie das Opium aus.
„Das letzte Mal", sagte sie, „hab ich zufällig den Rauch von einer
ändern Pfeife eingeatmet. Vielleicht muß ich's nicht mal selbst
rauchen... Wenn ich nur das Opium anzünde und die Düfte einatme,
so wie ich das schon gemacht hab... oder vielleicht sollt ich's auch
richtig machen. Das ist alles, was ich habe. Was meinen Sie?"
Er schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nich, Miss", sagte er. „Meine Mama hat mir immer
Laudanum gegen Zahnschmerzen gegeben, als ich 'n Kind war. Aber
das is auch alles, was ich drüber weiß. Man raucht's wie Tabak,
oder?"
„Ich glaub nicht. Die Leute, die ich bei Madame Chang gesehn hab,
lagen alle auf Betten. Ein Diener hielt für sie die Pfeife und hat das
Opium angezündet. Vielleicht hätten sie's nicht selbst halten können.
Wenn ich's auf einen Teller tue..."
Sie sprang auf und holte einen Emailleteller und nahm dann die
Streichholzschachtel vom Kaminsims.
„Ich halt jetzt bloß mal das Streichholz dran", sagte sie. „Wenn ich
dann einschlafe oder so, fällt das Streichholz auf den Teller, das macht
dann nichts."
Sie nahm eine saubere Gabel, spießte den klebrigen kleinen
Harzball darauf und hielt ihn über den Teller.
„Also denn."
Sie zündete ein Streichholz an und hielt es ans Opium. Ihre Hände
waren ganz ruhig, wie sie bemerkte. Die Flamme kräuselte sich um
die Droge, schwärzte die Oberfläche und begann dann, zu rauchen und
Blasen zu werfen. Sie beugte sich vor, atmete tief ein und fühlte sich
sofort schwindlig. Sie blinzelte, schüttelte den Kopf, und es wurde ihr
übel. Dann ging das Streichholz aus. Sie ließ es auf den Teller fallen
und langte nach einem anderen.
„Alles in Ordnung, Miss?" fragte Trembler.
„Könnten Sie das Streichholz für mich anzünden und es unter das
Opium halten?"
„Klar. Biste sicher, daß de weitermachen willst?"
„Ja. Ich muß. Immer neue Streichhölzer anzünden bitte -- es muß
dauernd rauchen."
Er zündete ein Streichholz an und hielt es darunter. Sie beugte sich
vor, legte die Arme auf den Tisch und strich das Haar zurück, daß es
nicht Feuer fing, und atmete dann tief ein. Der Rauch duftet süßlich,
dachte sie, und bitter zugleich, und dann begann der Alptraum.
Zu jener Zeit war Wapping fast eine Insel. Auf der einen Seite war
der Fluß, und auf der anderen Seite waren die Docks und deren
Zufahrten. Um nach Wapping zu gelangen, mußte man demnach über
Brücken fahren
-- und die waren keine soliden, eindrucksvollen
Bauwerke wie die London Bridge aus Stein oder Backstein, sondern
es waren leichtere Konstruktionen aus Eisen oder Holz. Und sie
bewegten sich alle: es waren Drehbrücken oder Zugbrücken, und von
Zeit zu Zeit drehten sie sich auf die Seite oder erhoben sich in die
Höhe, um die Schiffe in die Docks und heraus passieren zu lassen. Es
gab sieben solcher Brücken: sieben Zufahrten und sieben Ausfahrten.
Es war einfach, an jede dieser Brücken einen Mann zu postieren. Es
gab viele Leute, die Mrs. Holland zu Dank verpflichtet waren, und
noch viel mehr, die Angst vor ihr hatten. Fredericks Droschke ratterte
über die
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