Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
Dunkelheit des Gangs.
Dualar half Tenan auf die Beine. »Es hat keinen Sinn, ihn zu verfolgen, er ist zu schnell. Durch das Geschrei dürftendie Gredows mittlerweile sowieso wissen, dass wir hier sind, und wenn nicht, wird es ihnen der entflohene Umoli bald verraten. Lass uns den Rest des Holzes verteilen und von hier verschwinden.«
Angewidert streifte Tenan die Überreste des zertretenen Wesens am Türbalken von seinem Stiefel. »Welch widerwärtige Kreaturen!«
»Und gefährlich obendrein. Achest hält in seinen Verliesen einige tausend von ihnen, und täglich werden es mehr.«
Noch einmal füllten sie ihre Lungen am Fenster mit frischer Luft und rannten dann den langen Gang in der Mitte des Schiffes entlang zur Kapitänskajüte im Heck. Sie hatten Glück, niemand stellte sich ihnen in den Weg.
»Die anderen Dan dürften bereits in Position stehen und auf das Signal warten, das Holz anzuzünden«, sagte Dualar, als sie ihr Ziel endlich erreichten. »Unser kleiner Zwischenfall hat uns zu lange aufgehalten.«
Zu Tenans Erstaunen war die Tür zur Kajüte des Kapitäns nicht verschlossen, sie konnten einfach hineingehen. Sie betraten einen hohen, spartanisch eingerichteten Raum, dessen schmale Heckfenster auf die dunkle See hinausblickten. Ein reich mit dämonischen Schnitzereien verzierter, länglicher Tisch, auf dem Seekarten ausgebreitet lagen, beherrschte die Mitte der Kajüte. Darüber hing ein schwerer, eiserner Leuchter mit herabgebrannten schwarzen Kerzen, deren Wachs sich zu bizarren Formen aufgetürmt hatte.
Tenan trat an den Tisch heran und betrachtete die mit schwarzer Tusche sorgfältig gezeichnete Darstellung des Inselreichs. Fremde Länder und Kontinente hatten ihn immer schon interessiert; schon damals, als er bei Osyn gewohnt hatte, studierte er alle entsprechenden Schriften und prägtesich die Einzelheiten Algarads ein. Die Seekarten auf dem Tisch zeigten größtenteils Ausschnitte der bekannten Regionen und Inseln, aber es gab auch Zeichnungen von Ländern, die weitab der geläufigen Seewege lagen. Ihre Namen klangen fremd und geheimnisvoll, und er hätte sich gern länger in sie vertieft, aber Dualar drängte zur Eile.
»Pass auf, dass nichts Brennbares neben dem Ayk-Holz liegt«, schärfte er Tenan ein. »Es entwickelt zwar keine Flammen, aber die Glut könnte dennoch ein Feuer verursachen, das sich rasch im Schiff ausbreitet, sobald Pergament oder Stoff in Brand gerät.«
Als sie fertig waren, schloss Dualar für einen kurzen Moment die Augen und nahm geistige Verbindung mit Amberon auf. »Es ist alles bereit, lass uns anfangen!«, teilte er gleich darauf mit.
Er nahm Feuerstein und Zunder und schlug Funken, die im Nu auf das Ayk-Holz übergriffen. Für einen kurzen Augenblick loderte eine kleine Flamme auf, die sogleich in eine rote Glut überging. Dichte Wolken eines schwarzen, zähen Qualms wallten auf und ließen Tenan augenblicklich husten, seine Lungen brannten und seine Augen tränten, als habe er Nok-Pfeffer eingeatmet.
Dualar zog ihn aus der Kabine. »Wenn du zu viel davon einatmest, wirst du ohnmächtig, also pass auf!«
»Danke für die Warnung«, krächzte Tenan und stolperte den langen Hauptgang hinter Dualar her.
»Wir müssen das Schiff verlassen, bevor sich alle Räume mit Rauch gefüllt haben«, rief ihm Dualar über die Schulter zu. »Nicht mehr lange, und keiner kann sich mehr im Innern des Schiffes aufhalten, nicht einmal ein Gredow.«
Eine schwarze Wand aus Rauch wälzte sich hinter ihneher. Sie zweigten in die kleine Kammer ab, in der die Umoli gefangen schliefen, und entzündeten auch hier das Holz, dann rannten sie wieder hinaus auf den Gang. Dunkle Schwaden zogen unter der Decke entlang und sanken langsam immer tiefer.
»Das geht schneller, als ich angenommen habe. Rasch, zum Bug!«, rief Dualar. Sie zogen die Mäntel vors Gesicht, um sich vor dem ätzenden Rauch zu schützen, und rannten los.
Sie waren noch nicht weit gekommen, da krachte vor ihnen eine Tür auf, die zu einem der unteren Decks führte, und zwei riesenhafte Gredows zwängten sich hindurch. Sie trugen ihre volle Kampfausrüstung und schwangen zähnefletschend doppelklingige Breitschwerter. Als sie die beiden Eindringlinge erblickten, leuchteten ihre Augen unter den Sehschlitzen ihrer Helme glühend auf.
»Merrud hash igar!«, schrien sie.
»Auch das noch!«, stöhnte Dualar und zog seine Waffe. Er wich einen Schritt an die Wand zurück und nahm die Verteidigungsposition ein. »Lass dich
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