Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
Missklang entzwei. Tamril wurde nach hinten geschleudert und blieb benommen im Schlamm liegen, kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben. Der Eshgoth machte einen Schritt auf ihn zu, die Klinge mit beiden Händen umklammernd und zum Todesstoß bereit. Riesenhaft ragte er über Tamril auf, der abwehrend die Arme hob und auf sein Ende wartete.
Bevor der Eshgoth jedoch sein Schwert in Tamrils Brust bohren konnte, zischte ein Hagel von Pfeilen heran und drang in die Hornhaut des Unholds. Für einen kurzen Augenblick war der Eshgoth abgelenkt, er keuchte und wischte die Geschosse wie lästiges Ungeziefer beiseite.
Tamril nutzte seine Chance, rollte zur Seite und kam taumelnd auf die Beine, das Heft seiner zerbrochenen Waffe in der Hand. Er war genauso verwirrt wie sein Gegner. Was passierte hier? Woher kamen die Pfeile? Die Bogenschützen der Dan waren in Nahkämpfe verwickelt, konnten ihre Bögen also unmöglich verwenden. Wieder ging eine Salve von Geschossennieder, die meisten jedoch verfehlten ihr Ziel und blieben im Boden stecken. Tamril suchte den Waldrand ab, konnte den Ursprung des Pfeilhagels jedoch nicht ausmachen. Sie wurden sicher nicht von Dan-Rittern abgefeuert, dafür waren sie zu schlecht gezielt. Der Eshgoth ließ ihm keine Zeit für weitere Nachforschungen, er tappte heran und hob knurrend sein Schwert, was Tamril erneut in Verteidigungsposition zwang. Trotzig streckte er sein zerbrochenes Schwert nach oben.
Der Angreifer stieß einen markerschütternden Schrei aus und fasste sich ins Gesicht. Tamril blickte überrascht auf: Der Schaft eines Pfeils steckte tief im einzigen Auge des Unholdes, inmitten der länglichen Pupille. Vor Schmerzen wild aufheulend, warf er Schwert und Schild beiseite und zerrte mit beiden Händen an dem Geschoss. Es gelang ihm, den Schaft ein wenig herauszuziehen, aber das Holz brach unter seinen groben Fingern, und ein großer Teil des Pfeiles blieb in seinem Auge stecken. Er versuchte, das zurückgebliebene Stück zu fassen, verschlimmerte die Verletzung aber nur noch mehr. Dunkles Blut spritzte aus der Wunde. Vor Schmerz taumelte er wie von Sinnen umher und trampelte Freund wie Feind zu Boden. Ein neuerlicher Pfeilhagel ging auf ihn nieder, Tamril musste sich ducken, um nicht selbst getroffen zu werden. Diesmal konnte er die Flugbahn der Pfeile zu ihrem Ursprung zurückverfolgen – sie wurden aus den Kronen der Bäume abgeschossen, welche die Bucht begrenzten. Schlagartig wurde ihm klar, was vor sich ging, und sein Gesicht hellte sich auf: Die Fairin hatten ins Kampfgeschehen eingegriffen!
24
Tenan ging in Kampfstellung und versuchte, die beiden Gredows gleichzeitig im Auge zu behalten, die sich ihm und Dualar langsam näherten. Sie ließen ihre Klingen über den Boden schaben, was ein hässliches, kratzendes Geräusch verursachte. Tenan zwang sich, ruhig zu atmen und sich auf sein inneres Selbst zu besinnen, was ihm – wie so oft, wenn er angespannt und aufgeregt war – zunächst nicht gelingen wollte. Dies waren echte Krieger und keine geduldigen Kampfpartner, mit denen er die letzten Wochen trainiert hatte, und er wünschte sich seinen Übermut und seine Unbekümmertheit aus der Zeit in Esgalin zurück. Damals hätte er ohne Zögern und bereitwillig – oder leichtsinnig, wie seine Lehrmeister vermutlich gesagt hätten – jede Konfrontation mit einem Gredow gesucht, doch nun wusste er seine eigenen Kräfte besser einzuschätzen – und damit auch, wie leicht er verlieren konnte.
Er ermahnte sich, seine Gedanken auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, wie es Amberon und Dualar ihn gelehrt hatten, versuchte, seine Angst ganz bewusst aus seinem Denken zu verbannen und nur die Gredows vor sich wahrzunehmen. Vinesh-ra! Verbinde dich mit dem dhorin! hallte es durch seinen Geist, und als ob dem Wort selbst Zauberkraft innewohnte, überkam ihn auf einmal das Gefühl der inneren Balance und Ruhe, das den Zustand des Einsseins mit dem dhorin ankündigte.
Die Gredows griffen an. Der größere von ihnen stürzte sich auf Dualar, der andere auf Tenan. Er duckte sich unter dem ersten Schwertstreich, spürte den scharfen Luftzug über seinem Kopf und drehte sich in gebeugter Haltung um die eigeneAchse, der Hieb ging daneben. Das Gewicht seiner Doppelklinge brachte den Gredow aus dem Gleichgewicht, er stolperte an Tenan vorbei und polterte gegen die Holzwand des Ganges.
Tenan nutzte die Gelegenheit und ging zum Angriff über. Er führte einen Hieb auf den Kopf des Gegners, der
Weitere Kostenlose Bücher