Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
ihmschwieg. Er konnte Dualars Wunsch, die Gredows für ihre Zwecke zu nutzen, zu einem gewissen Grad nachvollziehen, auch wenn er – wie der Erzmagier auch – die Methoden des Hauptmanns missbilligte. Trotzdem wollte er Dualars Unmut besänftigen.
»Glaubt Ihr nicht auch, dass die Gredows eine zu große Bedrohung an Bord gewesen wären? Wer weiß, was passiert wäre, wenn sie sich hätten befreien können.«
An Dualars verbissenem Gesichtsausdruck erkannte Tenan, dass seine begütigenden Worte auf taube Ohren stießen. »Wenn ich das Ritual des al-kaboth richtig angewendet hätte, wäre das ausgeschlossen gewesen«, brummte der Hauptmann grimmig. Er wies auf die Boote, die nun langsam in Schussweite der Bogenschützen kamen. »Die Geister jener dort unten sind schwach und beeinflussbar, sie hätten uns zu Willen sein müssen. Ihr Wissen wäre für unsere Mission von unschätzbarem Wert gewesen.« Er hob die Hand und gab den Bogenschützen ein Zeichen, sie sollten sich bereit machen. In einer geschmeidigen Bewegung griffen sie über die Schulter, zogen die Pfeile aus dem Köcher und legten sie auf die Sehnen ihrer Bögen.
Im Halbdunkel konnte Tenan bereits die bleichen Fratzen der Gredows ausmachen, und wieder überkam ihn eine tiefe Abscheu gegen diese Kreaturen, die ihm gleichzeitig Furcht einflößten. Für einen kurzen Moment blitzten Bilder vor seinem inneren Auge auf, die er sonst nur in seinen Albträumen sah.
Er hörte das Knirschen der Sehnen, als die Schützen ihre Bögen spannten und zielten. Jeden Augenblick musste der Hauptmann den Befehl zum Schießen erteilen, und die Pfeile würden ihr Ziel trotz der Dunkelheit mit tödlicher Genauigkeittreffen. Worauf wartete er noch? Dualar schaute angestrengt aufs Wasser, die Hand immer noch erhoben.
Etwa fünfzehn Yards vor dem Schiffsrumpf entfernt schwenkten die Boote der Gredows auf einmal längsseits und kamen zum Stehen. Die Krieger des Todesfürsten drehten ihre Köpfe und starrten aus rötlich schimmernden Augen nach oben auf das Deck des Dronth-Brechers, während sie stumm und bewegungslos auf den Ruderbänken verharrten.
Tenan war verwirrt. Wussten die Gredows, dass ihr Schiff sich in Feindeshand befand? Woher?
»Worauf warten diese Bestien?«, flüsterte einer der Bogenschützen. Seine Hand an der gespannten Sehne zitterte. Es war totenstill, bis auf das sanfte Schlagen der Wellen gegen den Schiffsrumpf.
Dualar gab keine Antwort.
Einer der Krieger erhob sich langsam von seinem Sitz, griff an seinen Helm und zog ihn vom Kopf. Sein kahler, von Narben entstellter Schädel leuchtete gespenstisch im Licht der Fackeln, das vom Dronth-Brecher nach unten drang. Tenan erwartete, dass er im nächsten Moment in eine wüste Tirade von Beschimpfungen und Drohungen ausbrechen würde, doch nichts dergleichen geschah. Als der Gredow zu sprechen anhob, klang seine Stimme rau und auf eine seltsame Weise gebrochen und hohl. Er verwendete die Hochsprache Algarads, aber sein Dialekt war schwer zu verstehen.
»Dan-Ritter! Wir wissen, dass ihr unsere Kameraden mit einer List aus dem Dronth vertrieben habt und nun selbst an Bord seid!« Als es still blieb und sich nichts rührte, fuhr er fort: »Ich, Mavrok, bin kein Meister der Worte. Ich stehe hier, um euch zu sagen, dass wir uns ohne Bedingungen ergeben! Wir legen unsere Waffen nieder.«
Tenan glaubte, nicht recht gehört zu haben. Die mordgierigen Krieger des Todesfürsten ergaben sich? Das war unmöglich, Kapitulation verbot ihnen ihre Natur! Er schaute zu Dualar, der genauso überrascht dreinblickte wie er. Der Hauptmann schob vorsichtig den Kopf hinter einer der Schießscharten hervor. »Die glorreichen Krieger Achests wollen sich ergeben? Wo habt ihr euren Mut gelassen?«
»Die Gredows sind die gefährlichsten Krieger der Welt, aber wir sind auch klug«, brüllte Mavrok nach oben. »Wir wissen, wann ein Kampf entschieden ist und nicht mehr gewonnen werden kann.«
»Achest wird euch hart bestrafen oder gar töten, wenn er von eurer Kapitulation erfährt«, gab Dualar zurück.
»Der Meister hat uns Sieg und Ruhm versprochen, aber jetzt ist nur der Tod uns sicher. Wir sind nicht bereit, unser Leben in einem aussichtslosen Kampf zu opfern. Lasst Gnade walten, und es wird nicht zu eurem Schaden sein.«
»Wenn wir euch verschonen, wer garantiert uns, dass ihr kein falsches Spiel mit uns treibt?«
»Mavrok gibt euch sein Wort!«
»Das Wort eines Gredows?« Dualar schnaubte. »Wieso sollten wir einem Diener
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