Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
bevor die Krieger des Lichts sie vertrieben und in der lichtlosen Leere gebannt hatten. Die Schwarzen Sphären verkörperten den Zustand vollkommener Bosheit und Verderbnis, und diejenigen Wesen, die unfreiwillig dort gefangen waren, litten unsägliche Qualen.
Auf ein Zeichen ihres Herrn packten die verbliebenen Wächter die Gefangenen und schleppten sie vor das Tor. Jetzt erst wurde ihnen klar, was mit ihnen geschehen sollte, und sie begannen zu zittern, ihre Umrisse flackerten. »Nicht in die Schwarzen Sphären! Nicht in die Leere!«, flehten sie, doch der Bash-Arak hatte seine Entscheidung längst getroffen – für Abtrünnige durfte es kein Erbarmen geben.
Die Schatten wimmerten verzweifelt, bis ihr Gebieter Ruhe heischend die Hände hob. Er wirkte riesenhaft und bedrohlich, wie er auf den schwarzen Stufen stand, die zu dem Tor führten, und seine Stimme hallte in jeden Winkel des Tempels.
»Meine Untertanen! Verrat und Treulosigkeit haben Einzug ins Reich der Schatten gehalten. Einige von euch haben sich gegen mich verschworen und träumen davon, aus den GrauenSphären zu entkommen. Sie verkennen dabei, dass ich der Einzige bin, der sie in die Freiheit führen kann. Ich habe versprochen, euch alle nach Algarad zu leiten, und dieses Versprechen werde ich halten. Achest, mein Herr, hält in seinen Hallen für jeden von euch einen menschlichen Körper bereit, in dem ihr leben werdet und der euch die Freuden der Sinne bereiten wird. Zuerst aber müsst ihr gegen die verhassten Dan in den Kampf ziehen, die euch in das Zwischenreich verbannt haben und für euer Leid verantwortlich sind. Nur für diejenigen unter euch, die dem von mir bestimmten Weg folgen, wird es Erlösung geben! Alle anderen aber werde ich in die tiefsten Abgründe stoßen! Wer mir nicht folgt, ist wider mich! So sehet denn, welche Strafe die Verräter erwartet.«
Mit diesen Worten drehte er sich um, packte die beiden ehernen Griffe des Tores und lehnte sich zurück, um es zu öffnen. Dabei murmelte er magische Worte. »Ay mi estal voshe en arin – durch mich führt der Weg in die Stadt der Tränen – ay mi estal voshe en linath urur – durch mich führt der Weg in die Ewigkeit des Leidens – ay mi estal voshe en algar aryur – durch mich führt der Weg zum Volk der Verlorenen!«
Zuerst geschah nichts, dann aber plötzlich stöhnten und kreischten die Flügel des Portals in den Angeln und schwangen nach außen. Augenblicklich brauste ein heftiger Wind aus dem Tor und über die Stufen, der den Bash-Arak zurückschleuderte. Blitze zuckten aus der dahinterliegenden Dunkelheit und tasteten nach den beiden Schattenwesen, die noch immer am Boden knieten und schützend die Hände vors Gesicht hielten.
»Seid verstoßen in alle Ewigkeit und geht hinüber ins Reich der absoluten Dunkelheit!«
Die Schatten klagten und bettelten um Gnade, der Bash-Arakaber trat hinter sie und befahl ihnen mit einer knappen Geste aufzustehen. Sie sträubten sich und wollten fliehen, aber er hielt sie gebannt und zwang sie zwischen die Säulen des Tores.
Sofort wurden sie vom Sturmwind erfasst, der nun die Richtung wechselte. Die Umrisse ihrer Gestalten und Gesichter verzerrten sich, sie griffen um sich, doch ihre Hände fanden nichts, woran sie sich halten konnten.
Die Unai, die all dies mit ansahen, beobachteten entsetzt, wie ihre Gefährten in einem Lichtwirbel aus Blitzen in die Finsternis gesogen wurden und verschwanden. Noch einmal erstrahlte für einen kurzen Augenblick ein grelles Licht, dann schlossen sich die eisernen Torflügel krachend von selbst, und Stille kehrte ein.
Die Unai starrten furchtsam auf das Portal. Noch nie hatte der Bash-Arak einen von ihnen in die Schwarzen Sphären verstoßen, doch man erzählte sich grauenhafte Geschichten über diese Ebene. Dort lebten Wesen in totaler Lichtlosigkeit, und überall brütete die Bosheit. Dunkle Götter nährten sich von den Seelen der Verbannten und vertilgten die letzten Gedanken der Hoffnung, die noch in ihnen schlummerten.
Der Bash-Arak hob beschwörend die Arme. »Dieses Schicksal wird jeden von euch ereilen, der weiterhin Verrat im Geiste trägt und sich von mir lossagen will! Und nun kehrt zurück und verbreitet die Kunde!«
Schweigend befolgten die Unai seinen Befehl und verstreuten sich zwischen den Säulen des Tempels.
36
Der erste Sieg der Dan gegen die Truppen des Todesfürsten war teuer erkauft worden. Allzu viele tapfere Krieger waren gefallen, und Tamril hinterließ eine schmerzliche
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