Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
manch anderer.«
Der Hauptmann verbeugte sich tief. »Wie Ihr wünscht, Lord Amberon. Ich werde Tenans Leben schützen, als wäre es mein eigenes.«
28
Osyn hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Er konnte nicht sagen, wie lange er mit dem ohnmächtigen Iru auf dem Lasttier in den Gängen umhergeirrt war, aber es kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Waren es Tage? Wochen? Endlos wanden sich die Gänge und Tunnel durch die Finsternis. Schon lange hatte er aufgehört, Biegungen und Abzweigungen zu zählen und sich Einzelheiten der Umgebung einzuprägen.
Die Gredows hatten das Verschwinden Irus aus seiner Zelle bemerkt und eine fieberhafte Jagd begonnen. Immer wieder traf Osyn auf kleine Trupps, die mit gezogenen Schwerterndurch die Gänge eilten und nach ihnen suchten. Oft gelang es ihm erst im letzten Moment, eine Nische oder einen Seitengang zu finden, in die er mit dem Orn-Tier verschwinden konnte, und einen Illusionszauber zu schaffen, der sie verbarg. Immer wieder musste Osyn neue Verstecke ausfindig machen, in denen sie sich eine Weile ausruhen und erholen konnten.
Der Zustand des Fürsten von Dan war weiterhin bedenklich, zuweilen fieberte er und sagte wirre Dinge, nur selten klärte sich sein Blick. Der Comori war tief besorgt, da er außer seinen bescheidenen Heilungszaubern keine Hilfsmittel besaß, um Iru zu kurieren; das wenige, was er tun konnte, war, den Dan durch das Auflegen seiner Hände heilende Kraft zu spenden.
Ein weiteres Problem war die Beschaffung von Nahrung und Wasser. Osyn hatte zwar immer wieder Vorräte der Gredows gefunden, aber das Einzige, was ihm essbar erschien, war hartes graues Brot und eine Flüssigkeit, die in der Kehle brannte wie Feuer. Er hatte die Satteltaschen des Orns damit gefüllt, in der Hoffnung, die Vorräte würden ausreichen, bis er den Weg nach draußen gefunden hatte, doch sie neigten sich bereits bedenklich dem Ende zu.
Während sich Osyn mit dem Orn-Tier und dem Fürst von Dan durch die Gänge quälte, staunte er, wie viele verschlungene Wege es unter der Festung des Todesfürsten gab, doch keiner führte nach draußen. Für einen Augenblick übermannte ihn ein Gefühl ohnmächtigen Zorns. Irgendwo musste es doch einen Ausgang in die Freiheit geben! Sollte er bis in alle Ewigkeit in den Gängen umherirren? War denn wirklich schon alles verloren? Seine Gedanken wanderten wieder einmal zu Tenan, seinem Schüler, von dessen erfolgreicher Mission dasSchicksal Algarads abhing. Wenn er nur wüsste, wie es ihm ergangen war! Allein die Unsicherheit quälte ihn.
Sie gelangten an eine weitere Weggabelung, von der zwei Stollen abzweigten und in die Dunkelheit führten. Osyn hielt an und lehnte sich müde gegen das Orn-Tier. War es nicht gleichgültig, in welche Richtung sie sich wandten? Er hatte die Orientierung längst verloren. Es war Zeit, sich etwas anderes einfallen zu lassen, als ziellos durch die Gänge zu irren und sich vor den Gredows zu verstecken. Irgendwann würden die Krieger sie sowieso aufspüren. Aber was sollte er tun? Einem Trupp von Gredows hinterherschleichen in der Hoffnung, dass sie ihn zu einem Ausgang führten? Unmöglich! Er könnte das Orn-Tier mit dem geschwächten Dan-Ritter auf keinen Fall so lang verborgen halten. Er befand sich in einer scheinbar ausweglosen Situation.
»Nach rechts oder links?«, murmelte er halblaut vor sich hin. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als sich plötzlich die Stimmen einiger Gredows aus dem rechten Tunnel näherten und bald darauf roter Fackelschein an den Wänden aufleuchtete. Osyn zuckte zusammen – schon wieder ein Suchtrupp? Aber nein, da waren noch andere Stimmen zu hören, menschliche Stimmen, die klagten und jammerten, während Peitschenhiebe durch den Gang knallten. Die Krieger Achests schienen ihre Gefangenen durch den Tunnel vor sich her zu treiben. Osyn konnte nun verstehen, was die Gredows brüllten. »Los, weiter, verfluchtes Pack! Wenn ihr so langsam arbeitet, wie ihr euch vorwärtsbewegt, wird keiner lange überleben!«
Osyn wusste, dass es gefährlich war, sich den Gredows zu nähern, aber er wollte in Erfahrung bringen, was sich dort abspielte und wohin die Sklaven getrieben wurden. Er entschied,das Orn-Tier und Iru für einen kurzen Moment in Sicherheit zu bringen und der Sache nachzugehen.
Eilig führte er das Lasttier tiefer in den Gang zu seiner Linken, bis er zu einer Nische kam, in der die Gredows Werkzeuge und andere Gegenstände lagerten. Er schlang die Zügel um einen Pfosten,
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