Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Welt der Sterblichen zieht. Ein rotes Licht umhüllt ihn, das plötzlich in einem grellen Blitz verlöscht und eine undurchdringliche Dunkelheit zurücklässt.

24
    Eine Schar von Gredows drängte sich in dem stickigen Zellenraum tief unter der Festung Nagatha, in dem der Dan-Lord gefangen gehalten worden war. Die Ketten, mit denen er an Händen und Füßen gefesselt gewesen war, baumelten an den Mauern.
    »Er ist weg!« Der empörte Schrei eines Gredow-Hauptmanns hallte durch die Tunnelgänge der Höhlen und Verliese. »Der verfluchte Dan-Krieger ist verschwunden!« Er trat gegen die eiserne Zellentür und brüllte seine Wut heraus, und auch die anderen Gredows riefen wild durcheinander. »Wie hat er sich aus den Ketten befreit?«
    »Er muss Hilfe gehabt haben!«
    »Sucht ihn in den Gängen!«
    Die Krieger konnten nicht fassen, dass ihr wertvoller Gefangener entkommen war, dergleichen war noch nie in den Verliesen Achests passiert. Ihr Anführer riss sein Schwert aus der Scheide und brüllte: »Was steht ihr hier herum? Los, zu den Waffen! Stellt Wachen auf und sichert alle Durchgänge! Der Dan darf auf keinen Fall entkommen! Achests Zorn mögeeuch treffen, wenn ihr ihn nicht bald wieder einfangt! Er kann noch nicht weit gekommen sein, bewegt euch!«
    Eilig gehorchten die Gredows dem Befehl und rannten mit geduckten Köpfen aus der Zelle.

25
    Das Weltentor, das die Grauen Sphären von Algarad trennte, ragte vor dem Herrn der Schatten auf. Ein eiskalter Wind fegte heran und brauste durch die zerstörten Torflügel hindurch in die Grauen Sphären. Es war der Wind, der unablässig in der Leere zwischen den Welten wehte und dort den Raum erfüllte.
    Sogar ein mächtiges Schattenwesen wie der Bash-Arak empfand angesichts des riesigen Tores so etwas wie Ehrfurcht, und sei es nur vor der Macht seines Erbauers. Niemand wusste, wer die verschiedenen Tore zwischen den Welten geschaffen hatte, die auf jeder Seins-Ebene vorhanden waren. Einige sagten, es seien Götter gewesen, mächtige Wesen, die zwischen den Sphären wanderten und mit Hilfe der Tore die Welten bereisten, andere hielten sie für das Werk von Zauberern, die die Seelen von Mördern und Verbrechern in andere Sphären verbannten, damit sie nie wieder Schaden anrichten konnten. Wer auch immer es gewesen sein mochte, niemand kannte die wahre Herkunft der Tore.
    Der Bash-Arak war jedoch nicht hierher geeilt, um über den Ursprung der Weltentore nachzudenken, er hatte eine wichtigere Aufgabe zu erledigen. Leargh hatte auf die Gefahr hingewiesen, die den Grauen Sphären durch den Meledos drohte,und nachdem man ihm von einem Eindringling berichtet hatte, gedachte der Herr der Schatten nun, sie doch einzudämmen – gleichgültig, wie viel Kraft ihn das Ritual kosten mochte.
    Er stellte sich unter den Torbogen zwischen die gewaltigen Säulen und entfaltete seine Schwingen, bis sie den Raum hinter ihm in einer weiten, dunklen Wölbung umspannten, dann erhob er die Arme in einer beschwörenden Geste. Seine Klauen krallten sich in die Luft, fassten nach etwas Unsichtbarem, das er langsam heranzog und zu seiner Brust führte. Währenddessen murmelte er eine magische Beschwörung, die er, lauter werdend, ständig wiederholte, bis das ganze Firmament von seiner Stimme widerhallte.
    »Hegom aris devalore!«
    Es war das erste Mal seit vielen hundert Jahren, dass er die alte Sprache des Volks der Enim verwendete. Er hasste sie und mehr noch diejenigen, die sie gesprochen hatten. Einst war der Meledos tief mit der Magie der Enim verwoben gewesen, und auch heute noch waren die alten Zaubersprüche wirksam. Aber er musste diese Sprache sprechen, um eine magische Verbindung mit dem Kristall herzustellen, der hinter dem Weltentor in Algarad lag.
    Das Ritual des Bash-Arak schuf einen Tunnel aus wirbelnden Nebelschwaden, durch den der Wind immer heftiger heranbrauste; er fuhr wehklagend zwischen den Torflügen hindurch und steigerte sich auf der Ebene zu einem ohrenbetäubenden Sturm. Die Schwingen des Herrn der Schatten bauschten sich und bogen sich nach hinten, drohten ihn hinwegzureißen, doch er trotzte dem Wind und wiederholte die Beschwörungsformeln.
    Plötzlich bildeten sich rötliche Bänder aus Licht an den Seiten des Tunnels, wirbelten spiralförmig heran und schossenauf den Herrn der Schatten zu – es war die Magie des Meledos, die er durch das Weltentor zu sich heranzog.
    »Niemand soll die Kräfte des Kristalls benutzen können, weder die verfluchten Erzmagier von Dan