Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
seine Koje und fiel in einen tiefen Schlaf, ohne mit Eilenna und Urisk auch nur ein Wort gewechselt zu haben.
Eines Nachmittags entließ ihn Dualar früher als gewohnt aus den Lektionen und händigte ihm ein paar Schriftrollen mitmagischen Übungen und philosophischen Texten aus, die er studieren sollte. Aber Tenan dachte nicht daran, sie zu lesen, er wollte die kurze Zeit lieber nutzen, um Urisk und Eilenna zu sehen; irgendwie würde er sich das Wissen schon aneignen, bevor ihn der Hauptmann danach befragte.
Als er die Kabine betrat, in der seine Gefährten untergebracht waren, schaute Eilenna nur kurz auf und fuhr dann fort, die Stirn des Fairin mit einem feuchten Tuch zu kühlen. Urisk stöhnte und verdrehte die Augen.
»Wie schön, dass du auch einmal den Weg hierher findest«, sagte sie spitz, als sie das Tuch über einer Schüssel auswrang. »Ich hoffe nur, du kommst mit deinen Übungen gut voran.« Ihr Unmut war deutlich zu hören.
Tenan wusste nicht, was er entgegnen sollte, er bedauerte selbst, dass er so wenig Zeit für Eilenna und den Fairin hatte, aber die magische Ausbildung ließ ihm einfach keinen Raum. Verlegen begann er ein wenig von seinem Training zu erzählen, doch Eilenna blieb sichtlich unbeeindruckt.
»Dir ist sicher nicht entgangen, dass die Seefahrt unserem haarigen Freund hier ganz und gar nicht bekommt. Wenn ich nicht wäre, würde sich keiner um ihn kümmern. Tenan von Esgalin, du solltest dich schämen!« Sie erhob sich, warf ihm das nasse Tuch zu und verließ die Kabine mit der Schüssel, um frisches Wasser zu holen.
Betreten setzte sich Tenan an Urisks Bett und tupfte seine Stirn. »Hat sie den ganzen Tag schon so schlechte Laune?«
Der Waldgeist schniefte. »Nicht glücklich ist sie, glaubt man. Man vermutet, dass sie den jungen Herrn wohl gern öfter sehen würde, aber der hat keine Zeit vor lauter Üben und Kämpfen.«
»Hat sie das gesagt?«
»Aus ihren Worten hört man es versteckt.«
»Eine seltsame Art, mir das mitzuteilen.«
»Vielleicht hat sie auch genug davon, den armen Urisk zu pflegen«, greinte der Fairin voller Selbstmitleid. »Ach, wie sehr wünscht man sich auf einen Bobith-Baum, den kein Sturmwind erschüttern kann!«
Tenan versuchte ihn aufzumuntern. »Mein Freund, hab noch ein wenig Geduld. Der Sturm lässt bald nach, und das Schiff kommt wieder in ruhigere Gewässer ... Wäre es nicht auch für dich gut, ein wenig an Deck zu gehen, um aus diesem stickigen Loch herauszukommen?«
Urisk verzog den Mund und lächelte gequält.
»Das ist Antwort genug«, sagte Tenan. Kurz entschlossen hievte er den seekranken Waldgeist auf die Beine, legte sich einen seiner Arme um die Schulter und schleppte ihn auf den schmalen Treppen nach oben.
Draußen regnete es kaum noch. Schwarze Wolken rasten über den Himmel hinweg. Urisk stöhnte matt und wollte beim Anblick der Wellen gleich wieder umdrehen.
Hinter ihnen betrat Eilenna das Deck. »Was denkt ihr euch eigentlich?«, rief sie entrüstet. »Urisk muss sich ausruhen und seine Kräfte schonen!«
»Es ist wichtig, dass er auch mal an die frische Luft kommt«, erwiderte Tenan. »Unten in der stickigen Kajüte ...« Er hielt inne, denn Eilenna hörte ihm gar nicht zu. Ihr Blick war gebannt auf den Himmel gerichtet.
»Was ist das?« Sie zeigte auf zwei Punkte, die in großer Höhe über dem Schiff kreisten.
Tenan strengte seine Augen an. Er konnte nicht erkennen, ob es große Vögel oder Flugdrachen waren. Sie hielten sich knapp unter der Wolkendecke und flogen in engen Kreisen.
»Wir sollten es Lord Amberon melden«, meinte Tenan. »Vielleicht weiß er, was das für Kreaturen sind.« Irgendetwas sagte ihm, dass von diesen Wesen Gefahr ausging.
Eilenna schaffte den geschwächten Urisk wieder unter Deck, während Tenan in den hinteren Teil des Schiffes eilte, wo er den Erzmagier vermutete. Er fand ihn in seiner Kajüte, über Seekarten gebeugt, die Gondun und die umliegenden Inseln darstellten. Amberon schaute erstaunt auf, als Tenan eintrat, ohne anzuklopfen.
»Verzeiht, dass ich einfach so eindringe, aber Eilenna und ich haben zwei seltsame fliegende Kreaturen am Himmel entdeckt. Sie kreisen über der Flotte und scheinen uns zu beobachten. Bitte kommt und seht sie Euch an!«
Amberon warf sich eilig seine Robe über und folgte Tenan nach draußen. Der Sturmwind zerrte an ihren Kleidern und zerzauste ihr Haar, als sie das Hauptdeck betraten.
»Da!« Tenan zeigte in den Himmel. Immer noch zogen die beiden Flugwesen
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