Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
wie ist das möglich?«
»Das Schicksal geht manchmal seltsame Wege«, meinte Osyn. »Die See zwischen Gondun und Caithas Dun ist von gefährlichen Strömungen durchzogen, die immer wieder Strandgut an Land spülen. So kam es, dass auch das Wrack Eures Schiffs an einen Strand an der Nordküste Gondun getragen und dort von Tenan, meinem jungen Comori-Schüler, entdeckt wurde. Er fand den Meledos-Kristall im Inneren des Schiffs, nahm ihn an sich und brachte ihn zu mir.«
»Der Stein befindet sich außer Gefahr?« In Irus Gesicht spiegelte sich ungläubiges Erstaunen.
Osyn rieb sich den kahlen Kopf und nickte. »Als mein Schüler ihn mir zeigte, erkannte ich sehr bald die Macht, die in ihm ruht, aber auch Gefahr, die von ihm ausgeht. Kurz darauf erhielten wir Kunde von einer Invasion der Gredows, die auf der Insel nach dem Stein suchten und auch nach seinem Finder fahndeten. Deshalb sandte ich Tenan aus, den Kristall nach Meledin in Sicherheit zu bringen. Ich hoffe nur, er konnte seinen Auftrag erfüllen.« Bedrückt wandte er den Blick nach oben zu dem schmalen Streifen grauen Dämmerlichts, das in die Felsschlucht hinabsickerte.
Iru schloss die Augen. »Den Mächten des Schicksals sei Dank.«
»Wahrhaft eine glückliche Fügung«, stimmte Osyn zu. »Noch ist nicht verloren, wofür Ihr gekämpft habt.«
»Sagt, wie seid Ihr hierhergekommen und wie habt Ihr mich gefunden?«
»Ein Fairin aus den Wäldern belauschte einen Trupp von umherstreifenden Gredows, die nach dem Meledos suchten. Er berichtete mir, dass sie von einem hohen Ritter der Dan sprachen, der auf Caithas Dun in Gefangenschaft geraten sei, nachdem er den Kristall aus den Hallen Achests entwenden konnte. Noch in der gleichen Nacht unternahm ich eine Seelenreise und suchte nach diesem Mann. Ich vermutete schon, dass es sich dabei um Euch handeln musste, denn kein anderer wäre so verwegen, zu solch einer Mission aufzubrechen. Ihr habt tatsächlich nichts von Eurem Wagemut eingebüßt, Lord Iru.« Leichter Tadel schwang in seiner Stimme.
Der Dan lächelte schwach. »Mein Wagemut hat manchmalauch etwas Gutes an sich, wie Ihr Euch erinnern könnt, mein lieber Osyn.«
Der Comori wiegte den Kopf und strich sich durch das spärliche Haar.
»Durchaus«, sagte er, »aber immer setztet Ihr dabei Euer Leben aufs Spiel, so auch jetzt. Ich bin langsam zu alt, um Euch immer wieder zu Hilfe zu eilen.«
»Wie seid Ihr nach Caithas Dun gekommen? Habt Ihr ein Boot an der Küste versteckt, mit dem wir fliehen können?« Ein Hoffnungsschimmer glomm in Irus Augen auf.
Betrübt schüttelte Osyn den Kopf. »Leider nicht, ich flog in Gestalt eines Habichts übers Meer, um nach Euch zu suchen.«
»Ihr seid zur rechten Zeit hier eingetroffen«, flüsterte Iru, »lange hätte ich der Folter nicht mehr standhalten können.« Die Gedanken an die Torturen der vergangenen Wochen ließen ihn aufstöhnen. »Doch was nun? Ihr könnt Euch in die Lüfte schwingen und davonfliegen, aber ich bin hier zur Untätigkeit verdammt ...«
»Ich werde Euch nicht im Stich lassen«, sagte der Comori bestimmt. »Wir sollten das Beste aus der Situation machen und weitere wichtige Informationen sammeln. Wir wissen zum Beispiel nicht, wie es mittlerweile um die Vorgänge in Achests Verliesen bestellt ist. Ich habe die Halle mit den Sklaven und Leichen ebenfalls gesehen, aber nun erst ist mir klar, was dort vor sich geht. Vielleicht können wir die schlimmste Teufelei verhindern, indem wir Schaden anrichten und Verwirrung stiften.«
»Wenn wir nicht entdeckt werden!« Iru zeigte keine große Begeisterung für Osyns Vorhaben. »Ihr habt gewiss bemerkt, wie schwer es ist, sich in den Gängen der Festung vor den Gredows zu verstecken.«
»Allerdings«, erwiderte Osyn, »ich habe mich selbst viele Tage darin aufgehalten, nachdem ich Euch befreit hatte. Aber es ist nicht unmöglich, es gibt einige Bereiche in der Nähe von Achests geheimem Gang, die von Gredows kaum frequentiert werden.«
»Euer Plan ist gewagt«, sagte Iru zögernd, »doch auch ich sehe keine andere Möglichkeit, uns hier nützlich zu machen.« Er blickte sich um und zog eine Grimasse. »Aber wie sollen wir am Leben bleiben? Wir haben nichts zu essen und nicht mal frisches Wasser!«
»Ucek hilft uns – auch wenn er es nicht unbedingt freiwillig tut.«
»Der Gredow?« Der Fürst von Dan blickte irritiert zu dem Krieger, der noch immer vor sich hin döste.
Osyn nickte. »Bis jetzt hat er sich als sehr nützlich
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