Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
erwiesen.«
»Wie könnt Ihr einem Gredow trauen?«
»Ich traue ihm nicht«, antwortete Osyn gelassen. »Ucek würde uns geradewegs nach Nagatha bringen und seinem Meister ausliefern. Aber durch meinen zauberischen Bann ist er meinem Willen unterworfen, sodass ich ihn zuweilen übers Land schicken kann, um die Lage zu erkunden und nach etwas Essbarem zu suchen.«
Iru brummte grimmig. »Ich bezweifle, dass es so etwas auf Caithas Dun überhaupt gibt – das, was ich im Kerker bekam, war alles andere als ersprießlich.« Müde lehnte er sich zurück.
»Lasst dies meine Sorge sein«, sagte Osyn leise. »Bevor wir unser Vorhaben umsetzen und nach Nagatha aufbrechen können, müsst Ihr erst weiter zu Kräften kommen. Ihr habt Euren Geist heute schon genug beansprucht, ruht Euch nun aus und schlaft ein wenig. Die Gefilde der Träume mögen Euch erquicken.«Er strich über Irus Stirn, und der Fürst von Dan schloss die Augen. Dankbar ließ er sich von dem alten Comori in einen tiefen Schlaf versetzen, der seiner Seele die Ruhe und Erholung schenkte, die er so lange entbehrt hatte.
16
Die kleine Stadt Eisgarth, eigentlich nicht viel mehr als ein größeres Dorf, lag am westlichen Ende des Rhun-Walds, etwas erhöht auf einem abgeflachten Hügel, der von Feldern und Wiesen umgeben war und von dem aus man den Murenberg in der Ferne über den Baumwipfeln sehen konnte. Früher war Eisgarth ein wichtiger Knotenpunkt des Handels auf Gondun gewesen, in dem Händler aus allen Gegenden Algarads verkehrt hatten. Die Stadt hatte aus vielen niedrigen, kleinen Fachwerkhäusern und Lagerhallen bestanden, die sich um einen weitläufigen Marktplatz drängten, der von Gasthäusern und Herbergen umrahmt wurde. An den Hängen ringsum war ein lieblicher Wein angebaut worden, für den das Gebiet in ganz Algarad berühmt war. Die Könige und Fürsten der Inseln verlangten große Mengen, was die Preise nach oben getrieben und der Region zu bescheidenem Wohlstand verholfen hatte. Doch Eisgarth war nicht mehr.
Die Invasion der Gredows hatte Tod und Verderben gebracht. Sie hatten die Bewohner im Schlaf überrascht und überall Feuer gelegt. Wer nicht getötet worden war, wurde gefangen genommen und als Sklave in das Lager verschleppt, das die Mordknechte des Todesfürsten in der Bucht von Leremonth errichtet hatten.
Als das Heer der Dan-Ritter nach mehreren Angriffen kleinerer Einheiten von Gredows schließlich in Eisgarth ankam, fand es nur noch geschwärzte Grundmauern und verkohlte Balken vor. Die Leichen der wenigen Tapferen, die sich mit rostigen Schwertern und verbogenen Heugabeln gegen den Feind gewehrt hatten, lagen in den Straßen. Sie waren grauenhaft verstümmelt und oft bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Die Gredows hatten ihnen die Köpfe abgeschlagen und auf Stangen und Speere aufgespießt; nun säumten sie die Straße, die zum Eingang des Dorfes führte, und starrten jedem Fremdling aus leeren Augenhöhlen entgegen.
Amberon ließ vor den Toren Eisgarths ein Gräberfeld für die getöteten Bewohner ausheben, wo er ihnen mit einem Ritual der Dan die letzte Ehre erwies. Das Heerlager wurde auf freiem Feld vor der zerstörten Stadtmauer errichtet, denn keines der Häuser war noch bewohnbar. Im Laufe der nächsten Tage trafen weitere Truppeneinheiten ein, die von anderen Dan-Schiffen an den Küsten Gonduns ausgesetzt worden waren und die Insel nach und nach von den Invasoren befreit hatten. Laufend musste das Lager vergrößert werden. Sie berichteten von heftigen Kämpfen, in denen die Gredows versucht hatten, die Landung der Dan zu vereiteln und sie zurück ins Meer zu treiben. Aber der geballten Macht der Dan-Magie hatten sie trotz ihrer körperlichen Stärke nichts entgegenzusetzen gehabt. Die Ritter hatten die Gredows in die Hügel und Wälder zurückgetrieben, wo sich Achests Krieger für weitere Überfälle gesammelt hatten; da man die Verstecke der verstreuten Gredows nicht ausmachen konnte, blieben sie eine immerwährende Bedrohung für die Truppen der Dan und die Bevölkerung Gonduns.
Um einen endlosen Partisanenkrieg zu verhindern, war esalso unabdingbar, ihren Stützpunkt in Leremonth zu vernichten und sie damit von der Versorgung mit Waffen und ausgeruhten Kriegern abzuschneiden.
Amberon wollte sich nicht lange in Eisgarth aufhalten, denn die Zeit drängte. Ein früher Winter kündigte sich an, immer wieder ging der eiskalte Regen in Schnee über, nachts gefror sogar zuweilen der Boden. Der Erzmagier wusste, wenn der
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