Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
gefunden, mit dem er Irus Wunden reinigen konnte. Er hatte sogar gewagt, davon zu trinken, und herausgefunden, dass es einigermaßen genießbar war, obwohl es einen bitteren Geschmack auf der Zunge hinterließ. Aus den Streifen seines eigenen Hemds fertigte er Verbände an und sprach zauberkräftige Worte, welche die Heilung des Fürsten von Dan unterstützen sollten.
Ab und zu kam Iru kurz zu Bewusstsein und blickte Osyn aus verhangenen Augen an, doch schimmerte in ihnen ein Funken des Wiedererkennens, sodass Osyn Hoffnung schöpfte. Er verdoppelte seine Anstrengungen und übertrug so viel seiner eigenen Kraft auf Lord Iru, wie er zulassen konnte.
Nach einigen Tagen zeigten seine Bemühungen erste Wirkung. Lord Iru erstarkte sichtbar und erlangte schließlich zum ersten Mal für längere Zeit das volle Bewusstsein. Er versuchte sich aufzusetzen und schaute sich gehetzt um, als erwarte er im nächsten Augenblick das Auftauchen eines Gredows. Erschrocken fuhr er zusammen, als sein Blick auf Ucek fiel, der an eine Felswand gelehnt schlief.
»Nur ruhig, mein Lord«, sagte Osyn und legte Iru die Hand auf die Schulter. »Ihr seid in Sicherheit. Der Gredow dort drüben kann Euch nichts anhaben, ich halte ihn schon seit vielen Tagen in einem magischen Bann; er muss tun, was ich von ihm verlange, und kann uns keinen Schaden zufügen.«
Iru entspannte sich. Allmählich fand sein Geist in die Wirklichkeit zurück, und er konnte sich an Bruchstücke der Begebenheiten der letzten Tage erinnern. »Dank Euch, Osyn, meinFreund, dass Ihr mich gerettet habt. Es tut gut, Euer Antlitz zu sehen. Wie lange ist es her, seit wir uns das letzte Mal begegnet sind?«
»Etwas weniger als zwanzig Jahre«, antwortete Osyn und lächelte wehmütig. »Damals wanderte ich noch als freier Magier von Insel zu Insel.«
Iru hustete matt. »Es kommt mir vor, als sei es erst ein paar Monate her, so gut kann ich mich an unser Zusammentreffen entsinnen. Doch sagt, wie seid Ihr hierhergekommen?«
»Das Gleiche wollte ich Euch fragen. Was führte Euch nach Caithas Dun? Für einen einzelnen Dan-Krieger ist das ein wahrhaft ungewöhnlicher Aufenthaltsort.«
Iru seufzte schwer und verzog das Gesicht, als er sich schmerzhaft aufsetzte und in eine bequemere Position rückte. »Ich hätte Caithas Dun gerne gemieden, aber die Umstände zwangen mich, hierherzukommen. Vor einigen Monaten fanden Spione der Dan Anhaltspunkte dafür, dass Achest Todesfürst seine Truppen aufrüsten ließ. Man vermutete sofort eine gefährliche Teufelei, nachdem er sich viele Jahre ruhig verhalten hatte. Dem musste ich auf den Grund gehen, denn die Zeit des Friedens hat die Wachsamkeit des Ordens von Dan gefährlich träge werden lassen. So machte ich mich mit einigen Getreuen auf und landete an den Küsten der Todesinsel, um Genaueres in Erfahrung zu bringen. Wie sich herausstellte, waren meine Befürchtungen berechtigt.«
»Ihr konntet in die Festung Achests eindringen?«
»Ja, unter Einsatz all meiner magischen Kräfte näherte ich mich der Burg unbemerkt und machte einen geheimen Gang ausfindig, der mich ins Innerste Nagathas und in die dunklen Verliese führte. Was ich dort vorfand, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren: Achest plant eine unbeschreibliche Gräueltat!«Iru hielt kurz inne und schluckte, bevor er weitersprach, auf seinen Zügen lag tiefe Abscheu. »Er versucht, mithilfe des Meledos-Kristalls Schattenwesen in die Körper von Toten herabzurufen, um auf diese Weise ein riesiges Heer von Kriegern aufzubauen. Sollte ihm das gelingen, wären seine Truppen den Dan-Rittern allein durch ihre schiere Übermacht überlegen. Mir wurde schnell klar, dass ich handeln musste, um die Gefahr zu bannen. Mir gelang es, den Kristall an mich zu nehmen und auf mein Schiff zu fliehen. Zu meinem Unglück wurde meine Flucht jedoch entdeckt, und Achests Schergen verfolgten mich. Der Todesfürst beschwor einen gewaltigen Sturm herauf, der mein Schiff zerstörte. Es brach entzwei und sank auf den Grund des Meeres, und mit ihm meine treue Mannschaft und der Meledos-Kristall.« Iru ließ den Kopf hängen. »Meine Mission ist gescheitert«, flüsterte er. »Wenn es Achest gelingt, den Kristall vom Grunde des Meeres zu bergen, ist alles verloren.«
»Da kann ich Euch beruhigen«, sagte Osyn, »denn der Kristall wurde auf wundersame Weise gerettet. Wenn alles gut gegangen ist, müsste er sich in Meledin in den Händen der Dan-Ritter befinden.«
Lord Irus Augen weiteten sich. »Aber –
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