Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Hereros abgekauft hat.«
»Wieso reden Sie immer so abfällig von der schwarzen Bevölkerung?« Jella ärgerte sich immer mehr über Grünwalds despektierliche Art.
Der lachte nur verächtlich.
»Die Schwarzen sind wie Kinder, völlig unzivilisiert, quasi am Anfang ihrer Entwicklung. Sie müssten uns dankbar sein, dass wir uns um sie kümmern und ihnen Arbeit und Essen geben... aber
nein! Das reicht dem Gesindel ja nicht aus. Die bekommen den Hals einfach nicht voll. So ist das!«
»Finden Sie Ihre Einstellung nicht ziemlich hochnäsig? Ich finde nicht, dass die Eingeborenen dümmer sind als wir, nur weil sie andere Lebensgewohnheiten haben.«
»Hören Sie mir doch damit auf! Afrika ist nicht Europa! Wenn wir die Schwarzen nicht rigoros leiten und führen, dann zetteln sie bei der nächsten Gelegenheit einen Aufstand an und schneiden uns die Köpfe ab. Sind Sie nicht selbst von diesem Gesindel überfallen worden?«
Er sah sie mit einer gewissen Häme an. »Leute wie Sie gehören nicht nach Afrika! Dieser Kontinent ist nichts für zartbesaitete Seelchen!«
»Das können Sie ja gerade beurteilen!« Jella war empört. Dieser Grünwald hielt sich wohl für den Größten. »Leute mit Ihrer Einstellung sind schuld daran, wenn es hier zu Konflikten kommt. Würden Sie die Schwarzen nicht wie Sklaven behandeln, wäre das alles kein Problem!«
»Hört, hört«, höhnte Grünwald. »Eine wahre Predigerin ist an ihr verloren gegangen.«
»Die Schwarzen sind wie eine Herde Rinder«, mischte sich Lucie entnervt in das Gespräch ein. »Wenn man sie nicht unter Kontrolle behält, laufen sie einem davon. Sie besitzen weder Sinn noch Verstand. Deshalb sind sie eher auf der Ebene von Tieren als von Menschen zu sehen.«
Jella wollte wütend etwas erwidern, aber ihre Aufmerksamkeit wurde von einer Staubwolke abgelenkt, die aus der Ferne auf sie zukam. Es musste sich um einen Reiter handeln, der in raschem Galopp über die Sandpisten auf Owitambe zuhielt. Das Pferd verlangsamte erst dann seinen Schritt, als der Reiter es auf den leicht gewundenen Pad lenkte, der zum Haus hochführte. In munterem Trab näherte er sich der Farm.
Die Art, wie sich der Reiter auf dem Pferd hielt, kam Jella bekannt vor. Mit Herzklopfen registrierte sie, dass es sich um Fritz van Houten handelte. Direkt vor der Veranda hielt er sein Pferd an.
Er trug eine beige, an den Oberschenkeln weit geschnittene Reiterhose, wie sie die Schutztruppensoldaten auch trugen. Dazu dunkle, kniehohe Stiefel und ein dunkelgrünes Hemd mit einem hellblauen Halstuch. Es kontrastierte wunderbar zu seinem dunklen, vollen Haar und den kohlschwarzen Augen. Mit einer galanten Bewegung zog er mit seiner rechten Hand den hellen Filzhut vom Kopf, dessen Krempe nach Südwesterart rechts hochgestülpt war. Geschickt verbarg er damit seinen verkrüppelten linken Armstumpf, der die Zügel auf den Sattelknopf presste.
»Einen wunderschönen guten Abend«, begrüßte er die Anwesenden auf der Veranda. »Ich bitte um Verzeihung, dass ich um diese Uhrzeit noch störe. Doch ich war gerade in der Gegend und wollte es nicht verpassen, Fräulein Jella meine Aufwartung zu machen.«
Er schenkte Jella ein gewinnendes Lächeln, sodass diese vor Verlegenheit rot wurde. Mit einem kurzen Nicken in Richtung der beiden anderen stellte er sich vor. Er warf Jella einen aufmerksamen Seitenblick zu.
»Außerdem wollte ich sehen, ob es Ihnen gut geht. Wo ist denn Ihr Vater? Meine Mutter hat bereits viel von ihm erzählt. Ist er auch hier?«
Jellas Gesicht verdüsterte sich.
»Mein Vater ist tot«, meinte sie mit belegter Stimme.
Fritz schien tief getroffen. »Das tut mir aufrichtig leid!« Der Blick seiner dunklen Augen intensivierte sich. Voller Mitgefühl ruhte er auf Jella. »Das muss ein schwerer Schlag für Sie gewesen sein.« Seine Stimme klang warm und herzlich. Jella nickte.
»Das kann man wohl sagen.«
In knappen Sätzen schilderte sie, was sie von Lucie erfahren
hatte. Pflichtschuldig zückte diese ihr Taschentuch und schnäuzte sich. Jella zweifelte schon lange an der Echtheit ihrer Trauer.
»Mein Beileid, gnädige Frau«, meinte Fritz steif in ihre Richtung. Seine Augen blieben weiterhin auf Jella gerichtet, die sichtlich um Fassung rang.
»Was werden Sie jetzt tun?«, fragte er leise. Jella zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß es noch nicht«, meinte sie. »Lucie von Sonthofen ist so freundlich, mich für eine gewisse Zeit bei sich aufzunehmen. Sobald ich mir über meine Zukunft
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