Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Fritz’ Stimme. »Wahrscheinlich hat sie von Sonthofens innere Werte erkannt.«
»Erzähltest du nicht, dass diese Lucie ein ziemlich aufgetakeltes Weibsstück ist? Ist sie zu solchen Erkenntnissen überhaupt fähig?«, wandte Imelda skeptisch ein.
Fritz lachte. »Oh Mutter! Willst du etwa damit sagen, dass sich gutes Aussehen und Intelligenz ausschließen?«
»Ganz bestimmt nicht!«, protestierte Imelda. »Da muss man sich ja nur einmal das Fräulein Jella ansehen. Das ist gewiss eine patente junge Frau. Ich habe sie schon richtig in mein Herz geschlossen. Gefällt sie dir denn auch?«
»Natürlich.« Die Antwort kam Jella etwas arg nüchtern und schnell vorgebracht vor. Fritz hatte eindeutig keine Gefühle für sie.
»Wahrscheinlich hat diese Lucie Greenwood von Sonthofen den Kopf verdreht, und ehe er sich’s versah, war er schon verheiratet. Er war schließlich ein allein stehender Mann.«
Fritz wollte offensichtlich das Thema beenden.
»Das ist es ja gerade, was mich so wundert.« Imelda war noch nicht fertig. »Die Leute munkeln, dass er mit einer Himbafrau, die er auf seiner Farm aufgenommen hat, ein Kind hat. Der Junge soll eindeutig heller als üblich sein. Johannes war ein grundanständiger Mensch, der mir nicht den Eindruck machte, als spiele er mit den Menschen. Wenn er eine Affäre mit der Himbafrau hat, warum holt er sich dann noch eine Frau ins Haus?«
»Das geht uns nun wirklich nichts an«, knurrte Fritz ungehalten. »Wahrscheinlich wollte er einfach klare Verhältnisse. Du weißt doch, wie die weißen Farmer auf eine Mischehe reagieren. Vielleicht wollte er ihrem Gerede nur ein Ende bereiten, indem er eine weiße Frau ehelichte.«
Jella fand die Unterhaltung über ihren toten Vater peinlich und beschloss, sich bemerkbar zu machen. Sie räusperte sich laut und öffnete die Tür.
Imelda und Fritz saßen am Esstisch über einem Stapel Papiere und Rechnungen, um sie zu ordnen und abzuheften.
»Fräulein Jella. Setzen Sie sich zu uns«, forderte Imelda sie herzlich auf. »Wir sind gleich fertig, und dann mache ich mich ans Essen. Mögen Sie Gulasch?«
Nach einem opulenten Mahl, das aus Kudugulasch, Reis und einem selbstgemachten Mango-Relish bestand, lehnte sich Jella zufrieden zurück. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zum letzten Mal so wohl gefühlt hatte. Seit langer Zeit dachte sie wieder an Heinrich Zille und seine Familie. In all ihrem Leid und ihrer Verzweiflung hatten diese ihr damals in Berlin auch ein Heim geboten und sie vorbehaltlos aufgenommen. Trotzdem war sie immer eine Fremde gewesen, die nur für eine gewisse Zeit dort eine Unterkunft bekommen hatte. Bei Imelda und Fritz hätte sie sich vorstellen können, für immer zu bleiben. Als ob Imelda Jellas Gedanken gelesen hätte, brachte sie das Gespräch auf genau diesen Punkt.
»Haben Sie schon eine Vorstellung davon, was Sie in Zukunft anfangen werden?«, fragte sie.
Jella nickte bedächtig.
»Ich denke schon. So viele Möglichkeiten tun sich hier in Südwest für mich wohl nicht auf. Sobald ich noch einmal in Owitambe war und an der Stelle, an der mein Vater zu Tode gekommen ist, Abschied genommen habe, werde ich den Waterberg verlassen und nach Windhuk zurückkehren. Ich habe dort eine Freundin. Sie ist wie ich Krankenschwester. Wir haben eine Zeit lang gemeinsam gearbeitet. Vielleicht nimmt mich das Krankenhaus ja wieder auf. Ich interessiere mich sehr für Medizin und Forschungen.«
Dann erzählte sie den beiden von ihrer Ausbildung bei Professor Koch und ihren gescheiterten Bemühungen, in Berlin als Frau ein Studium aufzunehmen. Besonders Fritz folgte aufmerksam ihren Ausführungen. Jella hatte das Gefühl, dass es ihn wirklich interessierte. Imelda strahlte.
»Aber das ist ja großartig!«
Sie klatschte begeistert in die Hände. Jella sah sie pikiert an.
»Wie meinen Sie das? Dass ich nicht Ärztin werden konnte...?« Jella war etwas irritiert.
»Nein, Sie missverstehen mich«, klärte Imelda sie auf. »Wir suchen schon seit geraumer Zeit jemanden in Okakarara, der sich um die Kranken in unserer Gegend kümmern kann. Sie könnten genauso gut auch hierbleiben und hier so eine Art Krankenstation errichten. Wir haben noch einen kleinen Anbau, der zur Straße hinausgeht. Dort könnten Sie Ihr Behandlungszimmer einrichten. Fritz wird Ihnen dabei sicherlich gern helfen.«
»Aber ich bin keine Ärztin«, lehnte Jella entschieden ab. »Ich kann Kranke in gewissem Maße versorgen, mehr aber auch
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