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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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denn? Die anderen Kittel sind doch tipptopp in Ordnung!«
    »Nicht ganz. Du vergisst, dass die Lieferung nicht komplett ist. Was glaubst du, was ich deswegen bei Bolle für Ärger auf mich nehmen muss? Eigentlich dürfte ich dir nur fünfundvierzig Pfennige pro Kittel bezahlen.«
    Jella starrte Lies Schmodde fassungslos an.
    »Das soll wohl ein Witz sein!«
    »Ich mach nicht mal am Sonntag Witze«, antwortete die Schmodde ungerührt.
    »Aber das ist Halsabschneiderei! Diebstahl, Betrug!« Jella musste einfach Luft ablassen. »Meine Mutter und ich haben die letzten drei Wochen Tag und Nacht daran gearbeitet. Wir sind kaum aus unserem Kellerloch herausgekommen, nur um für die paar Pfennige diese Kittel fertigzustellen. Und du willst mir jetzt für jeden Kittel zehn Pfennige weniger geben, nur weil einer ein bisschen verschmutzt ist? Das kannst du nicht machen!«
    »Und ob ich das kann! Aber wenn du nicht willst, kannst du das
Zeug auch gleich wieder mit nach Hause nehmen. Näherinnen wie euch gibt es wie Sand am Meer.«
    »Du... du...« Jella fielen eine Menge übler Schimpfworte ein. Nur mit Mühe beherrschte sie sich. Es hatte keinen Sinn. Lies Schmodde war ihr gegenüber im Vorteil. Wenn sie jetzt die Fassung verlor, dann würde sie ohne Geld nach Hause gehen müssen. Und das wäre eine Katastrophe. Rachel brauchte dringend die Medikamente, und zu essen hatten sie auch kaum noch etwas zu Hause. Ganz zu schweigen von der Miete, die längst überfällig war.
    »Bitte, Lies«, rang sie sich durch. »Bezahl mir neunzehn Kittel regulär, und mach von mir aus beim zwanzigsten einen Abzug. Mutter und ich brauchen doch jeden einzelnen Pfennig!«
    »Ach hör doch auf mit dem Gejammer«, unterbrach sie Schmodde. »Was glaubst du, wie oft ich das zu hören bekomme? Ist doch eure Schuld, wenn ihr nicht besser mit dem Geld umgehen könnt! Für mich zählt nur eines: Ich kann dem Bolle statt der versprochenen zwanzig heute nur neunzehn Kittel abgeben - und das gibt Ärger für mich und’nen Abzug für dich und deine werte Frau Mutter. Punkt!«
    »Aber das ist unmenschlich«, protestierte Jella verzweifelt. Schon zum zweiten Mal an diesem Tag stiegen ihr aus Wut und Enttäuschung die Tränen in die Augen. Das durfte sie sich einfach nicht gefallen lassen!
    »Schluss jetzt mit dem Gedöns! Willst du das Geld jetzt oder nicht?« Schmoddes Augen funkelten arglistig. Als sie jedoch sah, dass Jella Anstalten machte, mitsamt ihrem Wäschekorb die Wohnung zu verlassen, lenkte sie wieder ein.
    »Also gut«, stöhnte sie gnädig, »jeder hier kennt ja mein großes Herz!« Zur Beteuerung griff sie mit ihren Patschhändchen an ihren immensen Busen. »Ich gebe dir zweiundfünfzig Pfennige, obwohl mich das um meinen ehrlichen Gewinn bringt. Aber dafür
musst du mir auch den sauberen Kittel morgen ganz bestimmt zu dem Bolle nach Charlottenburg transferieren.«
    Jella schnaubte. Das Blut in ihren Adern brodelte bei so viel Ungerechtigkeit bis kurz unter den Siedepunkt. Sie spürte ein Rauschen in den Ohren und war kurz davor, nun endgültig ihre Fassung zu verlieren. Sie war gedemütigt und fühlte sich hilflos und schwach wie eine Leibeigene. Am liebsten hätte sie den Wäschekorb genommen und der Schmodde umgekehrt über den Kopf gestülpt. Nur der Gedanke an ihre Mutter hielt sie davon ab. Aber was sollte sie tun? Sie brauchten das Geld, auch wenn es hinten und vorn nicht reichen würde. Wie sie es drehte und wendete. Ihr blieb keine andere Wahl, als Lies Schmoddes Angebot anzunehmen.
    »Einverstanden«, presste sie zähneknirschend hervor. »Aber nur dieses eine Mal! Beim nächsten Mal zahlst du wieder den vollen Preis.«
    Schmoddes Schultern zuckten ungerührt. »Wenn das Stückgut in Ordnung ist.«
    Zufrieden schlurfte sie zu dem schwarzen Vertigo an der Wand und zog eine der Schubladen auf. Sie kramte umständlich nach ihrem brokatbesetzten Geldbeutel und holte daraus ein paar Münzen hervor. Wie ein Almosen überreichte sie Jella ihren Lohn.
    »Steck es ein! Ich habe nachgezählt!«, knurrte sie unfreundlich. Jella prüfte die Summe trotzig nach. Erst neulich hatte sich die Alte mal wieder »versehen«, natürlich zu Jellas Ungunsten. Mit verkniffenem Gesicht steckte sie die Münzen in ihre Rocktasche, packte den Korb mit dem verschmutzten Kittel sowie den neuen Stoff und verließ grußlos die Wohnung.

Mietschulden

    Jella verließ die engen Gassen des Krögel über die Inselbrücke. Sie war froh, wieder die Wärme der Sonne auf ihrer

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