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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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zu keiner eindeutigen Diagnose hinreißen. Erst als Jella ihm erzählt hatte, dass seine Mutter Blut hustete, hatte er alarmiert reagiert.
    »Also doch«, hatte er vor sich hingemurmelt.
    »Was, also doch?«, hatte Jella mit aufsteigender Angst gefragt. »Deine Mutter hat Schwindsucht«, war Dr. Kuhls lapidare Antwort. »Ein Wunder, dass du dich noch nicht angesteckt hast!« Umständlich hatte er in den Tiefen seiner ausgebeulten Arzttasche nach seinem Notizblock gegraben und hastig etwas darauf gekritzelt. Ohne Rachel anzusehen, übergab er ihr das Rezept.
    »Wenn Sie wieder gesund werden wollen, müssen Sie sich außerordentlich schonen, so viel wie möglich an die frische Luft gehen und vor allem immer die Medizin nehmen, die ich Ihnen hier aufgeschrieben habe. Das ist das Einzige, was ich im Augenblick für Sie tun kann!« Daraufhin hatte er es ziemlich eilig gehabt, die Wohnung wieder zu verlassen. Leider hatte ihre Mutter
bisher noch keinen Tropfen von der Medizin eingenommen. Sie hatten einfach kein Geld gehabt, um sie zu kaufen.
     
    In der Apotheke am Märkischen Platz besorgte Jella endlich die Medizin. Als ihr der Apotheker das winzig kleine Fläschchen mit den Tropfen überreichte und dazu den Preis nannte, klappte ihr vor Schreck die Kinnlade nach unten.
    »Sechs Mark und sechzig Pfennige?«, vergewisserte sie sich ungläubig. Sie musste abermals schlucken. Das war dreimal so viel, wie sie gerechnet hatte. Der Apotheker, ein ernst aussehender Mann um die dreißig in weiß gestärktem Kittel mit gezwirbeltem Schnurrbart und schütteren, blonden Haaren, bestätigte ihr die Summe mit einem überheblichen Lächeln. Einem plötzlichen Impuls folgend gab sie das Fläschchen zurück, riss es dann aber doch noch in letzter Sekunde wieder an sich und bezahlte den geforderten Preis. Die Mutter brauchte die Tropfen!
    Während sie die Waisenbrücke überquerte und auf der Holzmarktstraße rechts in Richtung Schlesischer Bahnhof bog, rechnete sie nochmals die Finanzen nach. Das Ergebnis war niederschmetternd. Das Geld reichte hinten und vorn nicht. Mit dem kläglichen Rest konnte sie nicht einmal die Miete an Pischke zahlen. Geschweige denn das Nötigste an Lebensmitteln besorgen. Wie sollten sie die nächsten Wochen ohne Geld überstehen? Im Moment blieb fast alle Arbeit an ihr hängen. Jella gab sich Mühe, die düsteren Gedanken beiseitezuschieben. »Mit Zuversicht und Optimismus scharfen wir das Leben mit links«, wiederholte sie laut ihren Lieblingswahlspruch, den sie in den letzten Monaten ziemlich überstrapaziert hatte. Doch das war egal. Wenn sie den Spruch laut vor sich hersagte, fühlte sie sich gleich viel besser. Hauptsache, die Medizin half. Und dazu brauchte ihre Mutter etwas Ordentliches zu essen! Aus diesem Grund steuerte sie ohne schlechtes Gewissen direkt auf Oma Grambors Kolonialwarenladen zu und
kaufte mit einem Großteil des verbliebenen Geldes Kartoffeln, Bohnen, Weißkohl und ein ordentliches Stückchen Speck dazu. Daraus würde sie einen kräftigen Eintopf zaubern, der ihrer Mutter wieder auf die Beine half! Die Aussicht, die nächsten Tage keinen Hunger haben zu müssen, heiterte Jella auf. Denn mit einem vollen Magen ließen sich bekanntermaßen bessere Lösungen für ihre Probleme finden als mit einem leeren. Man durfte das Leben einfach nicht zu schwer nehmen!
    Fröhlich pfeifend verließ Jella den Kellerladen und stieg die Treppen zur Andreasstraße hinauf. Das Pflaster auf der Straße war ziemlich lückenhaft und phasenweise so marode, dass Jella die Straßenseite wechseln musste. So kam sie zufällig an der Litfasssäule vor ihrem Haus vorbei. Sie wurde gerade mit einem frischen Plakat beklebt. Neugierig blieb sie stehen und las die Ankündigungen. »Elite Vergnügungs-Park auf der Jungfernheide!« stand dort in großen Lettern. Die Jungfernheide war ein beliebtes Ausflugsziel der Berliner am Plötzensee mit Biergärten, Badeanstalt und einem Bootsverleih mit Ruderbooten. Ihr Großvater hatte immer abfällig von »primitiver Volksbelustigung« gesprochen. Vielleicht fand Jella dieses Viertel gerade deswegen so anziehend. Sie las weiter: »Sehen Sie Miss Larsché, die zwergenhafte Schwertschluckerin. Weiter zu sehen: Ottilie, die unbezwingbare Eisenbraut. Ihre Eisenbrust hat schon Stahlarbeiter zerquetscht! Der unvergessliche Clown François und sein dressierter Riesenaffe bringen selbst Steine zum Lachen!« Fasziniert studierte Jella die angekündigten Attraktionen auf der

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