Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
war.
Dieser alte Intrigant hatte aus purem Eigennutz Unglück über drei Menschen gebracht. Ohne seinen Starrsinn und Dünkel wären ihre Mutter, sie und Johannes wahrscheinlich heute noch eine glückliche Familie! Mit Tränen in den Augen las Jella weiter.
Waren vorher Johannes’ Schilderungen zwar nüchtern, aber immer voller Begeisterung für das Land und ihre mögliche Zukunft gewesen, so fand sich in den folgenden Seiten fortan ein trauriger Unterton. Johannes schien der Lebensmut abhanden gekommen zu sein. Das Einzige, was seinen Kummer milderte, waren seine Arbeit und sein Sinn für Gerechtigkeit. Mit großem Einsatz hatte er sich für die Belange der schwarzen Minenarbeiter eingesetzt. Wiederholt betonte er in seinen Aufzeichnungen, dass Schwarze und Weiße als gleichwertig zu behandeln seien. In den Minen, in
denen er die Aufsicht hatte, legte er festgeschriebene Pausen und geregelte Arbeitszeiten fest. Das sprach sich bei den Einheimischen bald herum, sodass sie lieber in seinen Bergwerken als bei der Konkurrenz arbeiteten. Doch das konnte nicht über die im Land herrschenden Probleme hinwegtäuschen. Im Land selbst gab es ständig Unruhen. Nama und Hereros waren selbst vom Norden nach Südwestafrika eingewandert und befehdeten sich seither erbittert. Es ging um Land- und Viehdiebstahl. Während ihrer ständigen Übergriffe wurden auch weiße Siedler bedroht und getötet. Die lächerlich kleine kaiserliche Kolonialtruppe war nicht fähig, sie zu schützen. Zu Beginn der Kolonialisierung bestand sie lediglich aus zwei Offizieren, fünf Unteroffizieren und zwanzig schwarzen Soldaten. Nach wiederholten Anfragen wurden 1889 schließlich nochmals 21 Soldaten nach Deutsch-Südwest entsandt. Mit ihnen kam Hauptmann Curt von François. Er sollte die deutschen Siedler schützen und die beiden Völker befrieden. Um besser zwischen Hereros und Namas taktieren zu können, gründete er an der Grenze der beiden Siedlungsgebiete und am Schnittpunkt traditioneller Verkehrswege eine Ortschaft: Windhuk. Seit 1890 war die Stadt Sitz der deutschen Schutztruppe und der Kolonialverwaltung. Von dort aus sorgte er dafür, dass die mit den Einheimischen und dem Deutschen Reich ausgehandelten Schutzverträge eingehalten wurden. Von nun an begann die richtige Kolonialisierung des Landes. In den folgenden Jahren wanderten immer mehr Deutsche nach Deutsch-Südwest aus, besiedelten das Land, bauten Straßen und Eisenbahnen, errichteten Farmgebäude, ganze Dörfer, Militäreinrichtungen, Kirchen, Schulen und Krankenhäuser. Gleichzeitig ließen sich Kaufleute und ganze Handelsgesellschaften nieder und machten gute Geschäfte. Dann begannen die Nama unter ihrem Kapitän Hendrik Witbooi nach einer längeren Friedenszeit mit landesweiten Plünderungen und Angriffen. Der zahlenmäßig unterlegenen Schutztruppe gelang es nicht,
die Herero zu schützen und den Kampf der Nama zu beenden. Nachdem mehrere Versuche, Witbooi zu einer freiwilligen Unterwerfung zu bewegen, gescheitert waren, wurde aus Berlin Major Theodor Leutwein entsandt. Die Schutztruppe wurde auf tausend Mann aufgestockt. Außerdem ließ Leutwein schwere Feldgeschütze auffahren. Das riesige Aufgebot und die Waffen schüchterten Witbooi und seine Leute tatsächlich ein. Im September 1894 kapitulierte der Namaführer und unterwarf sich den Schutztruppen.
In seinen Aufzeichnungen machte Johannes immer wieder seine politische Meinung deutlich.
Für uns Deutsche, die wir hier in Südwestafrika eine neue Heimat gefunden haben, muss es das höchste Anliegen sein, dass alle Bewohner unseres Landes gleichgestellt sind - egal, welche Hautfarbe sie haben. Nur wenn alle Bevölkerungsgruppen sich gegenseitig achten und ihre Unterschiedlichkeit respektieren, können wir in Frieden neben- und miteinander existieren. Hereros, Ovambos, Damarras, Namas, die scheuen Buschmänner und wir Deutschen müssen lernen, an einem Strang zu ziehen.
Doch die Realität sprach eine andere Sprache. Zwar waren die Namas unterworfen und die Hereros in höchstem Maße zufrieden - ihr Kapitän Samuel Maharero schloss sogar Freundschaft mit Major Leutwein -, doch jetzt kamen die deutschen Siedler, deren europäische Weltsicht zum Großteil nicht mit den in Südwestafrika herrschenden Verhältnissen übereinstimmte. Traditionell lebten die Hereros von der Rinderzucht. Als es 1897 zu einer Rinderpest und einer Heuschreckenplage kam, brach dem Hirtenvolk ihre Lebensgrundlage weg. Das Massensterben ihrer
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