Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Er bat Johannes um Arbeit, die er auch umgehend bekam, da sie auf Owitambe gerade neue Stallungen errichteten, wo jede kundige Hand gebraucht wurde. Johannes beschrieb Grünwald als einsilbigen, aber recht zuverlässigen Arbeiter. Er machte sich bald unentbehrlich, sodass Johannes ihm den Posten des Vorarbeiters anbot.
Jella las zwischen den Zeilen, dass Johannes auf Owitambe seine Ruhe gefunden hatte. Nur der Gedanke an Rachel schmerzte ihn immer wieder. Dann war plötzlich eine Himbafrau auf der Farm aufgetaucht. Johannes beschrieb sie ausführlich:
Sie stand einfach da und sah mich an. Ihre augenscheinliche Jugend wurde von der Klugheit ihrer Augen übertroffen. Aus ihnen sprachen Weisheit und tiefes Verstehen, aber auch tief verschlossenes Leid. Ich war von dieser fremdartigen Frau sofort bezaubert. Himbafrauen kamen nur sehr selten an den Waterberg, und sie war die erste, die ich überhaupt jemals zu Gesicht bekommen hatte. Das Hirtenvolk lebt normalerweise im Kaokoveld weit im Nordosten. Später erfuhr ich, dass die Art, wie sie ihre Haare trug, anzeigte, dass sie im heiratsfähigen Alter war. Die Haare waren mit roter Erde vermischt zu zahlreichen Zöpfen geflochten worden. Außerdem war ihr ganzer Körper mit einer roten, fettigen Creme eingeschmiert, die aus Butterfett, Ockerfarbe und dem aromatischen Harz des Omuzumba-Strauches bestand. Bis auf einen aus Rinderleder gefertigten Lendenschurz trug sie nur einen wulstigen, eng um den Hals liegenden Halsschmuck aus geflochtenem Sisal, sowie eine lange Perlenkette aus Tierknochen, die zwischen ihren hübschen, birnenförmigen Brüsten baumelte und von einem Stück Kuhhorn zusammengehalten wurde. Die Frau sprach weder deutsch noch englisch, nur ein paar Brocken herero.
»Ich bleibe hier und helfe.«
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, setzte sie sich auf den Boden und sah mich herausfordernd an. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten
sollte, also setzte ich mich ihr gegenüber. So saßen wir minutenlang und musterten uns neugierig. Schließlich fragte ich sie nach ihrem Namen. Da er für mich kaum auszusprechen war, fragte ich sie, ob sie mit einem anderen Namen einverstanden sei. Wir einigten uns auf Sarah. Sie lachte und meinte: »Neues Zuhause, neuer Name. Ja, Sarah ist gut!«
Dann stand sie auf und ging hinaus in den Busch. Sie blieb stundenlang fort, sodass ich schon annahm, sie hätte es sich anders überlegt. Doch kurz vor Sonnenuntergang war sie plötzlich wieder da, die Arme voller Feuerholz. In der Nähe der Rinderpferche ließ sie es fallen. Ich folgte ihr und war gespannt, was sie nun unternehmen würde. Schweigend reichte sie mir ein Lederbündel, in dem zwei Feuerstöcke lagen.
»Du machen okuruwo, Heiliges Feuer, dann Geister sind Owitambe gutgesinnt.«
»Ich kann damit kein Feuer machen«, versuchte ich mich aus dem Hokuspokus herauszureden. Ich hatte schon oft von den merkwürdigen Gewohnheiten der Himba gehört und achtete auch ihre Bräuche, aber ein heiliges Feuer anzuzünden, wie es in einem Himba-Dorf üblich war, kam mir schon etwas seltsam vor. Doch Sarah bestand darauf. Sie zeigte mir, wie man die Feuerhölzer bediente. Sie sammelte etwas dürres Gras und legte es auf das weiche Stück Holz. Darauf setzte sie ein rundes Feuerholz, das etwas härter war. Sie forderte mich auf, den Stab schnell und gleichmäßig zwischen meinen Fingern zu bewegen, bis schließlich erst etwas Rauch und dann ein kleines Feuer entstand. Mit kundigen Händen half sie mir, das gesammelte Holz zu entzünden. Als es schließlich munter vor sich hin prasselte, begann sie ein Lied zu singen und dazu zu tanzen. Es war merkwürdig, aber mit diesem Ritual kehrte auch in mir etwas Ruhe ein. Der Gedanke an Rachel schmerzte nicht mehr so sehr, und ich wusste, dass ich der Vergangenheit nicht mehr nachtrauern durfte, sondern dass meine Zukunft hier in Afrika lag.
Sarah kümmerte sich fortan um das Feuer. Sie sagte, es dürfe nie ausgehen, denn sonst würden die bösen Geister Owitambe heimsuchen.
Ein paar Nächte später kam Sarah zum ersten Mal in mein Zimmer...
Sarah und ihr Vater! Also doch! Jella fröstelte trotz der Hitze in ihrem Zimmer. Sarahs Sohn war also ihr Halbbruder. Mit gemischten Gefühlen nahm sie zur Kenntnis, was sie eigentlich schon lange geahnt hatte. Doch dann wurde sie noch einmal von Johannes’ Aufschrieben in den Bann gezogen. Sie las, dass ihr Vater und Sarah sich aufrichtig geliebt hatten. Sarah wohnte zwar nicht in
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