Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Lokodingsbums besichtigen, von dem mir meine Freundin Jella so vorschwärmt?«, plapperte sie keck.
Van Houten beugte sich etwas vor und wandte sich direkt an Jella. »Sie interessieren sich für Technik?«, wollte er wissen.
Jella fühlte, wie sie errötete. »Nun, es ist doch immerhin eine kuriose Geschichte, dass man diese Dampfmaschine einfach so in der Wüste verkommen lässt. Ich würde gern herausfinden, was es damit auf sich hat.«
»Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen berichten, was ich weiß.«
»Wenn es sein muss«, platzte Lisbeth wenig erfreut dazwischen. Doch Jella war begeistert. Van Houten erzählte, dass sich ein gewisser Edmund Troost mit dieser Dampfmaschine einen Traum erfüllen wollte. 1896 hatte er die Maschine in Einzelteilen von Halberstadt nach Svakopmund bringen lassen. Seine Idee war, damit eine dampfgetriebene Fuhrlinie nach Windhuk einzurichten. Sie sollte die viel langsameren Ochsenwagen ersetzen. Eine Eisenbahnlinie hatte es zu dieser Zeit noch nicht gegeben. Ein Lokomobil erschien ihm als das geeignete Transportmittel. Doch die Umsetzung dieser Idee gestaltete sich schwieriger als gedacht. Als die Maschine in Einzelteilen in der Walfischbucht angelandet worden war, sollte sie dort von einem eigens mitangereisten Maschinisten zügig zusammengebaut werden. Doch die beiden Männer hatten so ihre Schwierigkeiten, und es dauerte über drei Monate, bevor das Lokomobil lief. Endlich tuckerten sie damit in Richtung Svakopmund.
»Aber eine Dampfmaschine braucht Süßwasser, um laufen zu können«, warf Jella ein.
Van Houten nickte ihr anerkennend zu.
»Genau das war das Problem. In der afrikanischen Hitze braucht
eine Dampfmaschine sogar noch sehr viel mehr Wasser als in Deutschland. Natürlich hatte das Gefährt nicht annähernd genügend Platz, um ausreichend Wasser mit sich zu führen - außerdem war es ja als Transportmittel gedacht...«
»Was für ein Reinfall!«
Selbst Lisbeth konnte mittlerweile der Geschichte etwas abgewinnen. Van Houten schmunzelte.
»Das kann man wohl sagen. Troost war nicht der Mann, der so leicht aufgab. Er mietete einfach ein paar Ochsenkarren und belud sie mit dem nötigen Wasser.«
Jella kicherte. Was für eine Absurdität. Das Lokomobil sollte ein schnelleres Transportmittel sein und wurde jetzt durch nachziehende Ochsenkarren aufgehalten.
»Zu allem Überfluss verlor Troost bald darauf seinen Maschinisten, und es kostete ihn viel Zeit, einen neuen zu suchen. Als ihm das endlich gelungen war, gab das Lokomobil schließlich mitten im Sand seinen Geist auf. Weder Troost noch ein anderer machten sich die Mühe, das Fahrzeug zu reparieren. Man ließ es einfach da stehen, wo es stecken geblieben war«, beendete van Houten die Geschichte.
»Und was hat Martin Luther mit dem Lokomobil zu tun?«
Weder Jella noch Lisbeth konnten sich einen Reim darauf machen.
»Das ist der Humor der Svakopmunder. Das Dampflokomobil mit seinen drei leeren Anhängern erinnerte sie wohl an einen Ausspruch des berühmten Reformators: ›Hier steh ich - Gott hilf mir - ich kann nicht anders.‹«
Ein paar mit Sand gefüllte Blechtonnen markierten den Weg zur Martin Luther . Links von ihnen verlief wie ein gerader Strich die Bahnstrecke nach Windhuk, rechts zog sich der graue Buschstreifen des Svakop-Riviers, eines Trockenflusses, der jetzt im afrikanischen
Winter ohne Wasser war. Vor ihnen lag die endlose Weite der Namib-Wüste. Das Lokomobil war schon von Weitem zu sehen. Jella war begeistert. Sie sprang vom Kutschbock und umkreiste neugierig die Maschine.
»Schau nur«, rief sie aufgeregt, während sie die Maschine eingehend untersuchte. »Die Feuerbüchse ist ja völlig ausgeglüht!«
»Interessant!«, murmelte Lisbeth desinteressiert. Doch van Houten bestätigte ihre Vermutung.
»Ja, der letzte Maschinist hat offensichtlich den Wasserstand zu weit absinken lassen, und dann ist die Feuerbüchse ausgeglüht.«
»Was für eine Schande!«
Er sah Jella anerkennend an. »Sie verfügen über erstaunliche technische Kenntnisse! Ihr Vater kann stolz auf Sie sein. Haben Sie das Wiedersehen mit ihm genossen?«
Jella zuckte zusammen und räusperte sich.
»Er wartet in Windhuk auf mich«, behauptete sie. »Er konnte mich leider nicht abholen. Morgen fahre ich zu ihm.«
Lisbeth warf ihr einen fragenden Blick zu. Bevor sie etwas dazu sagen konnte, ging Jella zurück zum Kutschbock.
»Was ist?«, fragte sie mit einem gespielten Lächeln. »Nehmen Sie uns auch wieder mit
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