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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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verdienen, und wenn die Polizei dich aufgreift, kriegste Ärger. Versuch’s lieber auf Fisherman’s Wharf.«
    »Ich ... welches ... äh ... Schiff hier ... geht wohl nach Neuseeland?« Gloria zwang sich, den Mann anzusehen. Die freundliche, wenn auch etwas gönnerhafte Ansprache machte ihr Mut.
    Nun blickte sie in ein grinsendes, etwas spitzes Gesicht. Gloria musste an ein kleines Nagetier denken.
    »Zu den Kiwis zieht’s dich? Schätzchen, das wird schwierig.«
    Gloria biss sich auf die Lippen. Das Gleiche hatte ihr Vater gesagt. Gab es womöglich überhaupt keinen Weg von Amerika nach Polynesien?
    »Schau, Kleine, hier sind wir ...« Der Matrose kauerte sich hin und zeichnete eine Art Karte in den Straßenstaub. »Und da, auf der anderen Seite der Welt, ist Australien ...«
    »Aber ich will nach Neuseeland«, wiederholte Gloria.
    Der Mann nickte. »Neuseeland ist da ganz nah dran«, behauptete er.
    »Zweitausendvierhundert Meilen«, sagte Gloria. »So weit ist es von Neuseeland nach Australien.« Ihr persönlich kam das ziemlich weit vor.
    Der Matrose machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber ein Katzensprung im Vergleich zur Entfernung zwischen hier und Australien. Dazu musst du nämlich erst mal nach China. Was nicht schwer ist, dahin geht praktisch jede Woche ein Schiff. Aber dann: Indonesien, Australien, und von da aus nach Kiwiland. Das lohnt sich nicht, Süße! Glaub’s mir, ich war mal da. Auf der so genannten Südinsel. Ein paar Orte, die aussehen wie Good Old England, ein paar Wiesen und Schafe. Auf der einen Seite. Auf der anderen gibt’s Bergwerke und Pubs. Da kannst du natürlich ein bisschen was verdienen. Aber – nichts für ungut! – solche wie dich gibt’s da wie Sand am Meer ...«
    Gloria nickte ernsthaft und weit davon entfernt, beleidigt zu sein. »Ich komme ja auch von dort.«
    Der Matrose lachte dröhnend. »Na, dann bist du aber weit gereist und hast unterwegs hoffentlich was gelernt!« Er sah sie prüfend an. »Man sollte es fast ausprobieren. Sauber siehst du ja aus, und süß bist du. Ein bisschen polynesisch, nicht? Die Mädchen da hab ich immer gemocht, mehr als die mageren Hühner, die sich hier verkaufen. Also, wie wär’s mit uns beiden? Was nimmst du für ein Stündchen um die Mittagszeit?«
    Gloria blickte den Mann irritiert an. Sie brauchte nicht zu ihm aufzusehen, er hatte etwa ihre Größe. Auch das nahm sie für ihn ein; es machte ihn weniger bedrohlich als etwa ihren Vater oder Reverend Bleachum. Und er fand sie »süß« ... Gloria hatte das Gefühl, als erwärme sich ihr Herz. Aber sonst war der Mann seltsam. Warum sollte sie schmutzig sein? Sie hatte an diesem Morgen ihr hübschestes Kleid angezogen, ein weites Hängekleid mit großen bunten Blumen, eher im Stil der Maori-Tradition als in dem der neuesten Mode. Und was ihr Haar anging, war sie Tamateas Ratschlag gefolgt und hielt es sich mit einem extrabreiten Stirnband aus dem Gesicht. Das alles sollte einen guten Eindruck auf jeden Zahlmeister machen, der Zimmermädchen einstellte. Und diese Bewerbung wollte Gloria auch nicht aus den Augen verlieren, egal was der Mann ihr da anbot.
    »Ich ... ich muss erst ein Schiff finden. Und Arbeit, weil ... ich habe nicht viel Geld. Und Sie meinen, ich muss wirklich erst nach China? Vielleicht können Sie mir ja helfen. Ich dachte an einen Passagierdampfer. Die brauchen doch bestimmt Personal ...« Gloria blickte ihren neuen Freund ernsthaft an.
    Der Matrose verdrehte die Augen. »Süße, kein Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hat, macht eine Kreuzfahrt nach China. Da verkehren nur Frachtdampfer. Ich fahr zum Beispiel auf einem. Pacific Mail Steamship Company. Abalone-Muscheln nach Kanton, Tee und Seide zurück. Aber Mädchen heuert mein Käpt’n nicht an.«
    »Ich bin stark«, sagte Gloria hoffnungsvoll. »Ich könnte auch an Deck arbeiten oder Ladung löschen oder so was.«
    Der Matrose schüttelte den Kopf. »Goldschatz, das fängt schon damit an, dass die Hälfte der Besatzung glaubt, eine Frau an Bord brächte Unglück. Und wo wolltest du schlafen? Klar, die Jungs würden sich um eine Kabine mit dir reißen, aber ...«
    Der Mann hielt inne. Dann ließ er seine Blicke forschend über ihr Gesicht und ihren Körper wandern. »Hm, mir kommt da gerade eine Idee ... Du hast wirklich kein Geld, Süße?«
    Gloria zuckte die Schultern. »Ein paar Dollar«, meinte sie dann. »Aber nicht viel.«
    Der Matrose kaute auf seiner Unterlippe, was den Eindruck eines

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