Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
Rinder, und die aus Holz erbauten, schlichten Kleinstädte glichen Haldon weit mehr als New York und New Orleans.
    Auch die Menschen waren gänzlich anders als die Leute in den Großstädten. Die Männer mit ihren Denimhosen, karierten Hemden und breiten Hüten und die Frauen in ihren Kattunkleidern, die in Orten wie Dallas und Santa Fé in Kuras Vorstellungen kamen, hatten weit mehr von Gwyneira McKenzies Pioniergeist als von Kuras und Williams Weltgewandtheit. Der Musik standen sie oft verständnislos, den offenherzigen Verkleidungen der Tänzerinnen entrüstet gegenüber. Glorias wortkarges, aber gerades und pragmatisches Wesen wäre ihnen entgegengekommen.
    Aber Gloria wagte es kaum noch, allein über eine der staubigen Straßen zu schlendern und die Pferde anzusehen, die das Auto hier noch nicht in dem Maße ersetzt hatte wie in New York und London. Man erkannte sie sofort als Mitglied des Ensembles und starrte sie schon deshalb an wie ein exotisches Tier. Gloria fieberte dem Ende der Tournee entgegen, aber das lag noch in weiter Ferne. Die Fahrt führte quer durch den Kontinent, von New York nach San Francisco – natürlich auf Umwegen. Man frequentierte größere Städte und reiste im Zickzack durch das riesige Land. An der Westküste sollte die Gastspielreise dann aber eigentlich enden. William und Kura wollten auf dem kürzesten Weg nach New York zurückkehren; mit dem Zug dauerte es nur sieben Tage.
    Gloria erhoffte sich eine Direktpassage zurück nach Neuseeland. Ihre Eltern mussten inzwischen festgestellt haben, dass sie mit ihr nichts anfangen konnten. Zwar kämpfte sie sich tapfer durch ihre Arbeit als Korrepetitorin und begleitete die Proben der Tänzerinnen am Klavier, aber selbst hier war sie unvollkommen. Die Mädchen klagten immer wieder, das Piano brächte sie aus dem Takt, und neckten Gloria mit ihrem »absolut schlechten« Gehör. Es gab mindestens zwei unter ihnen, die ein bisschen Klavier spielten und Glorias Job genauso gut oder eher besser getan hätten. Ansonsten half sie Tamatea bei den Kostümen und beim Schminken, wobei ihr Letzteres noch am ehesten lag. Tamatea bewunderte, wie schnell sie sich in die Formen und die Bedeutung der traditionellen 
moko
 einarbeitete. Sie zeichnete den Tänzern die filigranen, an stilisierte Farne erinnernden Zeichen auf die Haut, die früher eintätowiert worden waren. Einmal bemalte sie sich aus Langeweile selbst – und verblüffte damit nicht nur Tamatea, sondern auch ihre Mutter.
    »Du siehst wie eine reinblütige Maori aus, Gloria!«, wunderte sich Kura. »Zieh mal eins von den Kostümen an! Nein, nicht die neuen, die älteren, die Tamatea entworfen hat ...«
    Die alten 
piupiu
 ähnelten der traditionellen Kleidung der Maori-Frauen, und weil damals noch wirkliche Maori-Mädchen mitgetanzt hatten, waren sie auch weiter geschnitten.
    Gloria blickte staunend in den Spiegel. Tatsächlich passte nur ihr krauses rotbraunes Haar nicht ins Bild, ansonsten hätte sie hier eine Frau der Stämme vor sich haben können.
    »Das Haar bindest du einfach im Nacken zusammen oder benutzt ein breites, besticktes Stirnband«, riet Tamatea. Tatsächlich erzielte sie damit eine verblüffende Wirkung.
    »So könnte sie glatt bei uns auftreten!« Kura lachte, und Gloria wischte sich die Schminke rasch wieder ab. Eine Rolle in der Show gehörte zu den letzten Albträumen, die sich für sie noch nicht verwirklicht hatten.
    Doch auch als Maskenbildnerin wurde Gloria nicht dringend gebraucht. Die Tänzerinnen wurden kaum noch traditionell bemalt. Die wenigen Arabesken, die sich dekorativ um ihre Augen und Wangen wanden, hatten mit Maori-Tradition nichts mehr zu tun, und die Mädchen schminkten sich selbst. Die paar männlichen Tänzer bemalte Tamatea. Glorias Hilfe wurde zwar freundlich angenommen, notwendig war sie jedoch nicht.
    Das Mädchen hoffte verzweifelt, dass ihre Eltern dies nun endlich einsahen. Sechs Jahre »Die Welt sehen« war genug, Gloria gehörte nach Kiward Station!
     
    San Francisco war eine aufblühende Stadt und lag in hügeligem Gelände am Meer. Fasziniert und voller Erwartung blickte Gloria hinaus auf den Pazifik – der Ozean, der sie heimführen würde! Aber auch sonst gefiel die Stadt ihr ein bisschen besser als New York und New Orleans. Die vielen viktorianisch anmutenden Gebäude und die Cable Cars, die hier eine ebenso große Sensation darstellten wie die historische Straßenbahn in ihrer Heimat, erinnerten sie an Christchurch.
    Kura und ihr

Weitere Kostenlose Bücher