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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Jack!
    Im Hafen herrschte bereits reges Treiben, doch niemand beachtete den Schiffsjungen mit seinem Bündel, der dem China-Dock zustrebte. Harry erwartete Gloria an Deck und schien erleichtert, als sie tatsächlich erschien.
    »Da bist du ja! Ich hatte schon befürchtet, nach der Sache vorgestern ... aber lassen wir das. Hilf uns hier mit den Seilen, der Smutje braucht dich erst, wenn wir auf See sind. Gestern hab ich deine Arbeit getan und den Proviant für dich geladen. Schließlich konntest du ja kaum schon mal vorbeikommen. Du wirst ...«
    »Ich werde nachher nett zu dir sein«, sagte Gloria mit unbewegter Miene. »Was soll ich so lange machen?«
    Die Maschinen liefen bereits, die Heizer waren seit Stunden dabei, Kohle in die Öfen zu schaufeln, um Wasser zu erhitzen und damit den Dampf zu erzeugen, der das Schiff antrieb. Es war kleiner als die Passagierdampfer, auf denen Gloria vorher gereist war. Man spürte das Stampfen der Turbinen als ständiges Vibrieren. Irgendwann sollte Gloria das Gefühl entwickeln, als hämmerten die Kolben direkt in ihrem Körper oder als wäre sie Teil der 
Mary Lou
 und des Lärms. An diesem Morgen jedoch erfüllte das Geräusch des erwachenden Schiffes sie mit Vorfreude und Aufregung. Es war, als liefe sich ein gewaltiges, walartiges Lebewesen für eine lange Reise warm. Als die Sonne aufging, setzte der voll beladene Dampfer sich behäbig in Bewegung. Gloria warf einen aufatmenden, letzten Blick auf San Francisco. Was immer ihr bevorstand, hierher musste sie nie mehr zurück! Von jetzt an würde sie nur noch aufs Meer hinaussehen – in Richtung Heimat.
     
    Nach der Abreise sollte Gloria allerdings nicht mehr viel Gelegenheit haben, wie früher in die Wellen zu starren. Wenn überhaupt, so kam sie allenfalls nachts an Deck, aber oft vergingen Tage, an denen sie kein bisschen frische Luft schnappen konnte. Die Arbeit in der Kombüse war schwer; der Smutje ließ sie Wasser schleppen und den alltäglichen Eintopf aus Pökelfleisch und Kohl in riesigen Töpfen rühren. Sie schrubbte die Herde, wusch das Geschirr und bediente die Mannschaft bei Tisch. Seltener brachte sie das meist etwas bessere Essen für den Käpt’n und seine Crew in die Offiziersmesse, immer voller Angst, ihre Tarnung könnte auffliegen. Dabei waren die Männer sehr nett zu dem schüchternen Schiffsjungen. Der Käpt’n merkte sich seinen Namen, und der Zahlmeister stellte ein paar wohlwollende Fragen zu seiner Herkunft und Familie. Er hakte allerdings nicht nach, als Gloria herumdruckste. Einmal lobte der Erste Offizier sie für den ordentlich gedeckten Tisch in der Messe, und Gloria errötete, worüber die Männer lachten. Sie sahen eigentlich alle nicht so aus, als würden sie blinde Passagiere kurzerhand über Bord werfen, aber Gloria zog es vor, Harry zu glauben. Sie versuchte, Harry möglichst alles zu glauben, vor allem die Zärtlichkeiten, die er ihr manchmal zuflüsterte. Sie brauchte etwas, an dem sie sich festhalten konnte, um nicht verrückt zu werden.
    Denn wenn das Nachtmahl am Ende des Tages aufgetragen und das Geschirr gespült war, begann erst Glorias eigentliche Arbeit.
     
    Gloria sah ein, dass sie Harry eine Vergütung schuldete und dass auch der Smutje für sein Schweigen bezahlt werden wollte. Warum sie allerdings auch allen anderen Mannschaftsmitgliedern in einer ihr unklaren Reihenfolge zu Diensten sein musste, erschloss sich ihr nicht. Nicht einmal die sechs Männer, mit denen sie und Harry die Kajüte teilten, hätten bemerkt, dass der Schiffsjunge Jack ein Mädchen war. Man zog sich zum Schlafen nicht aus; auch Gloria schlüpfte in ihren unförmigen Männerkleidern unter die Decke. Aber Harry bestand darauf, dass sie jeden Abend zur Verfügung stand.
    Die Besuche des Smutje hasste Gloria besonders. Sie hielt jedes Mal den Atem an, wenn sich der stinkende, ungewaschene Körper des fetten Kochs über sie warf. Er brauchte erheblich länger als Harry, bevor er mit ihr fertig war, ab und zu zwang er sie, sein Glied in die Hand zu nehmen und zu kneten, da es sich von selbst anscheinend nicht versteifte.
    Hinterher verbrauchte Gloria die Hälfte ihres kostbaren Trinkwassers, um sich die Hände zu schrubben. Wasser zum Waschen gab es nicht, Körperreinigung war nicht vorgesehen. Gloria versuchte jedoch, sich am Morgen wenigstens feucht abzureiben; sie hasste es, nach all den Männern zu riechen und diesen speziellen Geruch der ... Liebe? ... an sich zu haben. Das Mädchen verstand beim

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