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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Christchurch bei Charlottes Beerdigung spielte. Charlotte hätte es wahrscheinlich genau so gesehen, aber Jack war nicht imstande, irgendetwas zu organisieren. Er überließ die Bestattung den Greenwoods und erwies sich bei der Feier als kaum ansprechbar. Gleich danach zog er sich nach Kiward Station zurück, wo er sich ganz seiner Trauer ergab.
    Gwyneira und Jacks Freunde unter den Viehhütern versuchten zwar, ihn aufzumuntern oder wenigstens zu beschäftigen, doch auch wenn er tat, worum er gebeten wurde: Es war, als arbeite er im Halbschlaf. Standen Entscheidungen an, so traf Gwyneira sie gemeinsam mit dem stellvertretenden Vormann Maaka. Jack sprach nur, wenn er musste; er aß kaum und verbrachte die meiste Zeit brütend in den Zimmern, die er mit Charlotte geteilt hatte. Ihre Sachen durchzusehen und wegzugeben, weigerte er sich. Einmal fand Gwyneira ihn auf dem Bett, ein Kleid Charlottes in den Armen.
    »Ihr Duft ist noch darin ...«, sagte er verlegen.
    Gwyneira zog sich wortlos zurück.
    Umso verwunderter war sie an diesem Abend, als sie ihn nicht wie sonst in Arbeitshosen und durchgeschwitztem Hemd am Abendbrottisch antraf, sondern gewaschen und in sauberer Hauskleidung. Allerdings hatte sie ihn erst am Tag zuvor sanft dafür gerügt, dass er sich gehen ließ.
    »Davon wird es nicht besser, Jack! Und glaubst du, es hätte Charlotte gefallen, dich hier leiden zu sehen wie einen Hund?«
    Sunday, James’ alte Hündin, und Glorias Nimue hatten vor dem Kamin gelegen. Als Gwyneira eintrat, sprangen sie auf und begrüßten sie. Gwyn dachte mit Sehnsucht daran, dass sie lange keinen eigenen Collie mehr ausgebildet hatte. Und auch Jack ... sie beschloss, ihm einen Welpen aus dem nächsten Wurf aufzudrängen.
    »Mutter ...« Jack schob ihr einen Stuhl zurecht. Er sah gut aus in seinem leichten Sommeranzug. »Ich habe etwas mit dir zu besprechen.«
    Gwyneira lächelte ihm zu. »Hat das nicht Zeit bis nach dem Essen? Wie ich sehe, hast du dich heute festlich hergerichtet, und ich würde das Zusammensein mit dir gern genießen. Habt ihr die Männer mit den letzten Schafen auf den Weg geschickt?«
    Es war November, und der Viehauftrieb in die Berge hatte schon früher stattgefunden. Aber ein paar Nachzügler, Mutterschafe, die spät gelammt hatten, und ältere Tiere, die nach dem Winter schwächlich wirkten, hatte Gwyneira noch länger unter Aufsicht halten wollen. Nun zogen ein paar Viehhüter mit ihnen ins Alpenvorland – und stellten gleich die Ablösung für die beiden Maoris, die mit dem ersten Teil der Herde geritten waren und zur Beaufsichtigung der Tiere in einer Berghütte hausten.
    Jack nickte. Wai hatte inzwischen das Essen serviert, aber er schob die Speisen auf seinem Teller nur hin und her.
    »Ja«, meinte er schließlich. »Und ehrlich gesagt, Mutter, ich hatte ernstlich darüber nachgedacht, selbst mit den Schafen zu gehen. Ich halte es nicht mehr aus. Ich hab’s versucht, aber ich schaffe es nicht. Alles hier, jeder Winkel, jedes Möbelstück, jedes Gesicht, erinnert mich an Charlotte. Und das ertrage ich nicht. Mir fehlt die Kraft. Du sagst selbst, ich lasse mich gehen ...« Jack fuhr sich nervös durch sein rotbraunes Haar. Es fiel ihm sichtlich schwer, weiterzusprechen.
    Gwyneira nickte. »Ich verstehe das gut«, sagte sie sanft. »Aber was willst du tun? Ein Einsiedlerleben in den Bergen halte ich nicht für die beste Idee. Vielleicht könntest du ein paar Wochen bei Fleurette und Ruben verbringen ...«
    »Und in ihrem Warenhaus helfen?«, fragte Jack mit schiefem Lächeln. »Ich glaube nicht, dass da meine Begabungen liegen. Und komm mir jetzt bitte nicht mit Greymouth! Ich mag Lainie und Tim, aber zum Bergmann tauge ich ebenso wenig. Und ich möchte keinem zur Last fallen, sondern nützlich sein ...« Jack biss sich auf die Lippen, dann straffte er sich. »Kurz und gut, Mutter ... es hat ja keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden. Ich bin dem ANZAC beigetreten.«
    Jack atmete tief aus und wartete auf ihre Reaktion.
    »Dem was?«, fragte Gwyneira.
    Jack rieb sich die Stirn. Das hier wurde schwieriger, als er erwartet hatte.
    »Dem ANZAC. Dem Australian and New Zealand Army Corps ...«
    »Der Armee?« Gwyneira suchte erschrocken seinen Blick. »Das kann nicht dein Ernst sein, Jack. Es ist Krieg!«
    »Eben drum, Mutter. Sie werden uns nach Europa schicken. Das bringt mich auf andere Gedanken.«
    Gwyneira blitzte ihren Sohn an. »Das will ich wohl meinen. Wenn dir Kugeln um die Ohren fliegen,

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