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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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zu Lilians Pflichten, ihren Vater in die Stadt zu chauffieren und kurz vor der Sperrstunde abzuholen. Natürlich bestand dabei die strengste Auflage, im Licht der Straßenlaternen zu parken, das Auto nicht zu verlassen und die Türen geschlossen zu halten. Bislang waren nur die Hauptstraßen von Greymouth elektrisch beleuchtet, und ein ehrbares Mädchen sollte sich nachts nicht auf der Straße blicken lassen.
    Lily war jedoch nicht ängstlich und kannte sich zudem gut aus in der Umgebung des Lucky Horse. Ihre Mutter hatte im Stallanbau gewohnt, solange sie dort als Barpianistin tätig gewesen war, und sowohl Madame Clarisse als auch die Mädchen, die für sie arbeiteten, gehörten zu Elaines engsten Freundinnen. Als Lilian klein war, hatte Elaine sie häufig mitgenommen, wenn sie sich mit ihnen traf, und das Kind hatte im Stall und in den Straßen rund um das Gebäude gespielt. In den letzten Jahren war das zwar weniger geworden – Madame Clarisse’ Mädchen wechselten häufig, weil die Bergleute sie meist nach wenigen Monaten wegheirateten –, doch Angst vor dem Bordell kannte Lilian nicht. Dazu wusste sie genau, welcher von Tims Freunden zu Pferde, per Auto oder einfach zu Fuß in den Pub kam. Im Stall war donnerstags nur ein Pferd zu erwarten, die knochige Stute des Schmiedes, und der Schmied verließ die Kneipe nie vor der Sperrstunde. Die jungen Liebenden würden also ungestört sein. Und wenn Lilian den Pub von hinten anfuhr und das Auto im Schatten des Anbaus parkte, bestand auch kaum das Risiko, mit dem Fahrzeug Aufsehen zu erregen. Noch sicherer – und auch romantischer – wäre natürlich ein Treffen außerhalb der Stadt gewesen. Aber Ben hätte dazu weit laufen müssen. Lilian verfluchte den Umstand, dass der Junge sich aus dem Reiten nichts machte und folglich kein eigenes Pferd hatte. Auch kutschieren lag ihm nicht. Er hätte nicht mal gewusst, wie man anspannte. Und das Familienauto steuerte bei den Billers allein der Chauffeur.
    Lilians Herz pochte heftig, als sie sich im Schutz der Dunkelheit in den Stall des Pubs schlich. Er war nur schwach durch eine Laterne beleuchtet, aber sonst ging ihr Plan auf. Lediglich ein Pferd knabberte Heu, und Ben war auch schon da.
    Lilian hätte fast aufgeschrien, als er sie in Filmstarmanier an sich riss und heftig küsste.
    »He, du erdrückst mich!«, rief sie lachend. »Alles klar, hat niemand Verdacht geschöpft?«
    Ben schüttelte den Kopf. »Das trauen sie mir nicht zu!«, sagte er stolz. »Ich bin ... ich wäre fast aus dem Fenster geklettert!«
    Da Ben im ersten Stock schlief und sich kein Baum vor seinem Fenster befand, wollte er lieber nicht flunkern. Lilian fand, dass die Absicht genügte, um romantisch zu sein.
    Die nächste halbe Stunde verbrachten die beiden mit kleinen Zärtlichkeiten, Liebesschwüren und Klagen über ihren tristen Alltag. Lilian fehlte lediglich Ben, Ben dagegen litt auch unter anderen Widrigkeiten des Daseins.
    »Mir liegt die Büroarbeit einfach nicht. Und ich mache mir nichts aus Bergbau. Dabei musste ich jetzt sogar unter Tage ...«
    »Und?«, fragte Lilian gespannt. »Wie war es?«
    »Dunkel«, bemerkte Ben, bevor ihm klar wurde, dass dies für einen Poeten vielleicht eine etwas schwache Beschreibung war. »Grabesdunkel!«, fügte er hinzu.
    Lilian runzelte die Stirn. »Aber ihr habt doch die modernen Grubenlampen. Onkel Matt meint, die Mine sei erleuchtet wie ein Tanzsaal.«
    »Für mich war es dunkel wie die Hölle!«, erklärte Ben.
    Lilian verzichtete darauf, anzumerken, dass die Hölle wahrscheinlich ebenfalls gut beleuchtet war. Schließlich brannte dort ausreichend Feuer.
    »Und Rechnungen schreiben und all das liegt mir auch nicht. Neulich habe ich mich um fast tausend Dollar vertan, meine Mutter war äußerst erbost.«
    Ganz unverständlich fand Lilian das nicht. Trotzdem streichelte sie ihrem Freund tröstend die Wange. »Aber bestimmt schicken sie dich doch wieder auf die Universität, oder? Bergbau muss man schließlich auch studieren. Ach, Ben, dann bist du noch weiter weg ...«
    Lilian schmiegte sich an ihn, und er wagte es, sie hinunter auf einen Heuhaufen zu ziehen. Sie hielt still, während er nicht nur ihr Gesicht mit Küssen bedeckte, sondern auch ihren Hals und den Ansatz ihrer Brüste. Lilian ihrerseits schob die Hände unter sein Hemd und liebkoste zaghaft seinen immer noch muskulösen Brustkorb und seinen Rücken. Sie fand es schade, dass er nicht mehr ruderte. Es hatte ihr gefallen, seine Muskeln unter

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