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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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besorgt.
    Lilian nickte. »Jede Großstadt ist gut. Komm, mit ein bisschen Glück sind wir bald im Zug nach Blenheim.«
     
    Der Rest der Reise nach Christchurch gestaltete sich abenteuerlicher. Obwohl ein paar Farmer sie Teile des Weges auf dem Wagen mitnahmen, erreichten sie die Stadt erst am Abend, als es bereits dunkel war. Ben plädierte dafür, irgendwo ein Zimmer zu nehmen, aber diesmal zögerte Lilian.
    »Ich war hier schon mal, Ben. Mich könnte jemand erkennen. Wenn nicht gleich als Lilian, dann doch als Verwandte von Grandma Gwyn. Wir sehen uns alle ziemlich ähnlich – außer Gloria. Und das hier ist George Greenwoods Stadt. Wenn er später Erkundigungen einzieht, hat er unsere Spur.«
    »Und was schlägt die Piratenkönigin vor?«, fragte Ben schlecht gelaunt. Nach dem weiten Fußweg fror er zwar nicht mehr, aber nachts würde es wieder kalt werden. Ben sehnte sich nach heißem Wasser zum Waschen und einem Bett, ob mit oder ohne Lilian darin; er war sogar zu müde, an »es« zu denken.
    Schließlich landeten die beiden auf dem Güterbahnhof und schliefen recht gut auf einer Ladung Schaffelle. Im Verschlag neben ihnen wartete eine Herde Rinder auf ihren Weitertransport und sorgte für zusätzliche Wärme, allerdings auch für Lärm und durchdringende Gerüche nach Dung und Urin.
    »Gestern sahen wir aus wie die Neger, morgen stinken wir!«, beschwerte sich Ben. »Was kommt als Nächstes?«
    Lilian verdrehte die Augen und kuschelte sich in seinen Arm. »Ben, das ist romantisch! Das ist unsere Liebesgeschichte! Denk an Romeo und Julia!«
    »Die haben sich erstochen«, bemerkte Ben unleidlich.
    Lilian kicherte. »Siehst du, da sind wir besser dran!«, beschied sie ihm, gähnte und schloss die Augen.
    Auch in dieser Nacht blieb sie Jungfrau und schlief unschuldig wie ein Kind.
     

4
    Die Leute rückten wirklich ein bisschen von Ben und Lilian ab, als sie am nächsten Morgen im Zug nach Blenheim saßen. Der Gestank nach Rinderdung hatte sich ihnen zwar nicht angeheftet, aber der Lanolingeruch der Wolle hielt sich lange in ihren Kleidern. Lilian war das egal; umso mehr Platz hatte sie am Fenster. Die Strecke von Christchurch nach Blenheim war zwar nicht so reizvoll wie der Weg durch die Alpen, aber es gab immer noch genug zu sehen. Besonders die Küste faszinierte das Mädchen. Es gab schneeweiße Strände, aber auch raue Küstenabschnitte mit steil zum Meer abfallenden Klippen. Die Ortschaften, die der Zug passierte, waren meist klein, eher vergleichbar mit Haldon als mit Greymouth. Der Hauptwirtschaftszweig hier war die Schafzucht. Erst einige Meilen vor Blenheim erstreckten sich die ersten Weinberge.
    Ben und Lilian waren erfreut, dass die Sonne schien. Die Gegend um Blenheim hatte das beste Klima auf der Südinsel; es regnete wesentlich weniger als in Christchurch oder gar an der rauen Westküste. Lilian, die ja schon mit ihrem Vater dort gewesen war, erzählte begeistert von der vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt. »Vielleicht sehen wir Wale bei der Überfahrt! Und Pinguine! Beim letzten Mal habe ich eine Bootstour entlang der Küste mitgemacht. Das war großartig!«
    Ben konnte dazu Wissenschaftliches beitragen; er hatte den Biologieunterricht in Cambridge einmal um ein Referat über die Flora der Südinsel bereichert. Lilian fragte sich, ob er die anderen Schüler damit auch so gelangweilt hatte wie sie. Aber dann hörte sie einfach über den Inhalt seines Vortrags hinweg und ließ sich stattdessen von seiner geliebten Stimme einlullen. Ben musste sie wecken, als der Zug in Blenheim einfuhr.
    Die Reise hatte fast den ganzen Tag gedauert, und Lilian und Ben waren zu müde, um sich irgendwelche Verschleierungsmanöver auszudenken. Sie stiegen also nicht vor Blenheim aus und kamen auch überein, sich in einer Pension einzumieten, statt erneut einen versteckten Schlafplatz zu suchen.
    »Morgen sind wir sowieso auf der Fähre, dann ist es egal!«, meinte Lilian und schmiegte sich an Ben, während sie Arm in Arm den Bahnhof verließen. »Du darfst bloß nicht rot werden, wenn du mich als ›Mrs. Biller‹ vorstellst. Sonst denken die Leute noch, wir schwindeln!«
    Die beiden entschieden sich schließlich für ein ordentliches kleines Hotel. Das war nicht ganz billig, aber obwohl sie nicht darüber sprachen, war beiden klar, dass sie hier ihre Hochzeitsnacht planten. Ben bezahlte großzügig mit dem Geld seines Vaters, was den Betrag schon ein wenig schrumpfen ließ. Wenn jetzt noch die Fähre dazukommt und

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