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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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geheizt. Hier, jetzt sind wir nah genug dran. Hier können wir warten.« Sie wies auf eine Buschgruppe in Sichtweite des Bahnsteigs und machte Anstalten, sich auf ihre Tasche zu setzen, verborgen vom Buschwerk.
    »Hier? Müssen wir nicht ... ich meine, wir könnten doch zum Bahnsteig gehen. Da könnten wir gleich eine Karte kaufen, und vielleicht haben sie Warteräume ...«
    »Ben.« Lilian rieb sich die Nasenwurzel. »Wenn wir jetzt da reinspazieren und ein Billett kaufen, dann fragt der Bahnwärter uns als Erstes, wo wir herkommen. Und was sagen wir ihm dann? Dass wir zu Fuß über die Alpen gekommen sind? Oder hat uns ein Flugzeug abgeworfen? Du bist viel zu ehrlich, Ben. Ich hoffe, du musst nie Räuber werden oder so, um uns zu ernähren, wie Henry Martyn in dem Lied. Wir würden verhungern ...«
    »Und wie stellt sich Miss Piratenkapitän die Sache vor?«, fragte Ben beleidigt. »Irgendwie müssen wir schließlich in den Zug kommen.«
    Lilian kicherte. »Miss Piratenkapitän ist gut! Und das mit dem Zug ist einfach. Die Leute steigen hier oft aus, um über den Pass zu gucken. Und sich die Beine zu vertreten. Dann stellen wir uns einfach dazu und steigen mit ein. Ich glaube nicht, dass hier die Fahrkarten noch kontrolliert werden. Wer soll denn auch schummeln in der Wildnis?«
    Tatsächlich war es lächerlich leicht, sich bei Arthur’s Pass in den Zug zu schmuggeln. Die größte Gefahr bestand darin, von irgendwelchen Bekannten gesehen zu werden – die Lamberts und die Billers kannten schließlich halb Greymouth. Deshalb umgingen Lilian und Ben sorgfältig die Passagiere, von denen sie meinten, sie schon einmal gesehen zu haben, und landeten schließlich in einem Abteil mit Reisenden aus Christchurch. Besonders ein älteres Ehepaar war nett und teilte sogar seinen Reiseproviant mit dem ausgehungerten jungen Paar.
    »Mein Mann ist Bergmann, wissen Sie«, erklärte Lilian unbekümmert, schon um den Graustich in Bens blondem Haar zu erklären. »Aber das hat keine Zukunft ... das heißt, es hat natürlich schon Zukunft, die Minen sind alle voll ausgelastet, schon wegen des Krieges. Wir ... äh ... die Lamberts bauen jetzt sogar eine Kokerei, aber ... also, wir sehen da für uns keine Zukunft. Wir wollen in den Canterbury Plains neu anfangen, mit ... na, vielleicht mit einer Nähmaschinenvertretung!«
    Elaine Lambert besaß eine alte Singer-Nähmaschine, die William Martyn ihr während seiner Vertreterzeit aufgeschwatzt hatte. Lilian war mit dem Gedanken aufgewachsen, dass der Verkauf der Dinger lukrativer war als die Idee, damit zu nähen.
    Ben räusperte sich und versuchte, Lilian unauffällig anzustoßen.
    Die älteren Herrschaften zeigten sich dagegen ausreichend beeindruckt, und die Frau erzählte wortreich, wie sie einst als Kind nach Christchurch gekommen und von einer Bäckerfamilie adoptiert worden war. Später hatte sie einen Gesellen geheiratet, heute führte ihr Sohn das Geschäft. Lilian hörte aufmerksam zu, stellte die richtigen Fragen und kaute dabei ausgezeichnete Krapfen – an diesem Morgen frisch in Greymouth gebacken. Die Tochter des Paares war dort verheiratet, ebenfalls mit einem Bäcker.
    »Man kann es immer noch schaffen, wenn man geschickte Hände hat, junger Mann!«, ermutigte die alte Dame. »Mein Schwiegersohn hat auch aus dem Nichts was aufgebaut, da unten an der Westküste!«
    Ben räusperte sich wieder, und Mrs. Rosemary Lauders schob ihm einen weiteren Krapfen zu.
    Während Lilian fröhlich plauderte, verlor Ben sich in der traumhaften Landschaft, die am Fenster vorbeizog. Buchenwälder, verträumte Flussufer, aber auch wilde Berghänge wichen langsam dem weniger rauen Voralpenland und schließlich dem endlosen Grasland der Canterbury Plains.
    Während die Lauders nach Christchurch weiterfuhren, verließen Lilian und Ben den Zug tatsächlich in Rolleston.
    »Musstest du die ganze Zeit reden?«, fragte Ben unwillig, als sie etwas ziellos am Bahnsteig herumstanden. »Die Leute erinnern sich doch an uns!«
    »Ja, an ein junges Ehepaar aus der Bergbausiedlung!«, meinte Lily unbekümmert. »Komm, Ben, wer soll sie denn befragen? Es kann natürlich sein, dass unsere Eltern uns suchen, oder George Greenwood. Der versteht sich auf so was, der findet jeden. Aber in Christchurch warten doch keine Detektive und vernehmen die Zugreisenden! Zumindest jetzt noch nicht. Und später treiben sie die Leute gar nicht mehr auf.«
    »Wirklich sicher sind wir erst in Auckland«, meinte Ben

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