Der Ruf der Kiwis
Ort, aber ein Treffen dort war das Äußerste, was Elaine und George ihm abringen konnten.
»Wahrscheinlich weiß Florence ohnehin schon alles. Was wir rauskriegen, kann sie doch auch erfragen!«
Allerdings nicht so leicht wie George Greenwood, dessen Firma in praktisch allen größeren Städten in Neuseeland Dependancen unterhielt. Und wie sich herausstellte, hatten die Billers gar keine Anstalten dazu unternommen. Florence schien entschlossen, ihren ungeratenen Ältesten einfach zu vergessen. Tims Einladung zu einem Treffen folgte nur Caleb.
»Ich bin überzeugt, mein Sohn verfolgt keine unehrenhaften Absichten«, bemerkte er leicht beschämt zu Elaine, nachdem alle sich begrüßt hatten.
Tim gab ein verärgertes Schnauben von sich.
»Ich bin überzeugt, er brauchte meine Tochter nicht mit Gewalt zu verschleppen«, lächelte Elaine. »Bleiben wir doch sachlich, Caleb. Hier hat keiner dem anderen etwas vorzuwerfen. Die Frage ist nur, wie wir weiter vorgehen.«
George Greenwood nickte. »Und wie gesagt, wir können die Sache verfolgen. Die zwei sind auf der Nordinsel, und wir dürfen wohl davon ausgehen, dass sie sich in einer der größeren Städte ansiedeln. Wahrscheinlich einer Universitätsstadt – schließlich ist nicht anzunehmen, dass Ihr Sohn sich als Viehhirte verdingt oder im Bergbau anheuert, nicht wahr, Mr. Biller?«
Caleb schüttelte den Kopf. »Davor ist er ja weggelaufen«, meinte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Es ist schon in gewisser Weise unsere Schuld ...«
Elaine hatte fast das Bedürfnis, ihn zu trösten.
»Also Wellington oder Auckland«, sagte sie.
Greenwood nickte. »Wenn ihr sie finden wollt, würde ich zu einem Privatdetektiv raten ...«
»Was heißt denn hier, wenn?«, fragte Tim. »Selbstverständlich holen wir sie zurück, es sind doch Kinder!«
»Wenn wir noch ein paar Wochen länger brauchen, sind sie wahrscheinlich verheiratet«, gab Elaine zu bedenken. »Wenn sie’s nicht jetzt schon sind. Ich traue Lilian durchaus zu, dass sie Bens Geburtsdatum vorverlegt.«
»Aber das sind Hirngespinste!«, schimpfte Tim. »Ein Strohfeuer! So etwas hält doch kein Leben lang!«
Elaine runzelte die Stirn. »Ich war kaum älter, als ich nach Greymouth kam. Das hat dich nicht gestört.«
»Ich bitte dich, Lainie, sie sind sechzehn und siebzehn!«
»Die erste Liebe kann manchmal ganz schön heftig verlaufen.« George Greenwood lächelte weise. Er musste es wissen, schließlich hatte seine erste Liebe, das heftige Strohfeuer eines Sechzehnjährigen für seine Lehrerin Helen Davenport, letztlich sein Leben bestimmt. Das Interesse an Helens weiterem Schicksal hatte ihn nach Neuseeland geführt, wo er sich nicht nur in das Land, sondern auch in seine spätere Frau Elizabeth verliebt hatte.
»Man könnte die Ehe annullieren«, beharrte Tim.
»Und dann?«, fragte Elaine. »Schicken wir Lily nach Queenstown, wo sie hoffentlich eine Möglichkeit finden, sie einzumauern, und Ben landet im Bergwerk? Das ist doch völlig unrealistisch. Tim, so gern ich wüsste, wo Lily steckt und was sie macht: Das Beste ist, sie in Ruhe zu lassen. Sollen sie ruhig versuchen, auf eigenen Füßen zu stehen, das kann ihnen gar nichts schaden. Sie sind doch beide verwöhnt, die treiben es nicht bis zum Letzten. Wenn’s ihnen schlecht geht, kommen sie zurück!«
»Lilian könnte schwanger werden!«, bemerkte Tim.
Caleb errötete.
»Das kann sie jetzt schon sein«, meinte Lainie. »Umso besser, wenn sie wenigstens heiraten. Sieh es mal so, Tim: Das Baby würde die Biller-Mine erben! Fällt dir irgendetwas ein, womit du Florence auf eine höhere Palme treiben könntest?«
Auf dem Standesamt in Auckland heirateten am gleichen Tag Lilian Helen Lambert und Benjamin Marvin Biller. Die Einverständniserklärungen ihrer Eltern waren ebenso gefälscht wie das Geburtsdatum auf Bens Ausweis. Lilian erinnerte sich an entsprechende Vorgangsbeschreibungen aus den Abenteuern des Sherlock Holmes oder irgendeines der anderen Romane, die sie ihr Leben lang begeistert verschlungen hatte. Mit ein paar vorsichtigen Federstrichen wurde Ben siebzehn. Die Heiratserlaubnis von Tim Lambert gewann besondere Authentizität durch die Verwendung seines Originalbriefpapiers. Der Bogen, den Lily mitgenommen hatte, war zwar ein wenig zerknittert, aber der Standesbeamte stellte keine Fragen.
5
»Miss Gwyn, was ist mit der jungen Miss Gloria?«
Maaka hatte sich zweifellos lange mit der Frage herumgeschlagen, aber nun wagte er
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