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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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zwingen. Die Familie wollte schließlich unterhalten werden, und in absehbarer Zeit musste er das obendrein allein tun.
    »So schlimm wird das gar nicht, Ben!«, tröstete dagegen Lilian. »Schau, ein paar Monate kann ich noch unterrichten. Und in der Zeit beeilst du dich einfach ein bisschen mit deiner Arbeit. Wenn du erst promoviert hast, geben sie dir bestimmt einen bezahlten Job. Dein Professor ist doch so begeistert von dir!«
    Das war zwar der Fall, aber von akademischen Ehren konnte man nicht unbedingt leben. Ben jedenfalls sah schwarz für einen zweiten linguistischen Lehrstuhl an der Universität Auckland. Erst recht für einen so jungen Doktoranden. Eher war es üblich, nach der Promotion an verschiedenen anderen Universitäten zu gastieren, dort Kurse anzubieten und sich selbst weiterzubilden. Manchmal fanden sich auch Forschungsstipendien, aber bei Bens ausgefallenem Wissensgebiet war das unwahrscheinlich. Und von alldem abgesehen, würde es selbst für einen hochbegabten Studenten kaum möglich sein, das Promotionsstudium innerhalb von knapp neun Monaten zu beenden.
    Lilian kaute auf ihrer Unterlippe, als Ben all das vor ihr ausbreitete.
    »Aber so nebenbei im Hafen verdienst du nicht genug«, bemerkte sie. »Erst recht nicht, wenn wir eine neue Wohnung suchen.«
    Ben seufzte. »Ich lass mir irgendwas einfallen«, versprach er vage, um dann doch zu lächeln. »Wir schaffen das schon. Mensch, Lily, ein Baby! Und wir haben das ganz allein gemacht!«
     
    Lilian liebte Ben von Herzen, aber sie hatte längst herausgefunden, dass sich seine sensationellen Geistessprünge eher auf Syntax und Wortmelodie polynesischer Relativsätze denn auf einfache Lösungen alltäglicher Probleme bezogen. Insofern verließ sie sich auch nicht auf seine Einfälle, sondern dachte selbst darüber nach, welche seiner Talente man vielleicht noch gewinnbringend nutzen konnte. Die entscheidende Idee kam ihr, als sie auf dem Weg zu einem Klavierschüler das Büro des 
Auckland Herold
 passierte. Eine Tageszeitung! Und Ben war ein Dichter! Berichte und Artikel zu schreiben sollte ihm da erst recht leichtfallen. Und es war sicher besser bezahlt als das Löschen von Ozeanriesen.
    Kurz entschlossen betrat Lilian das Ladenlokal und gelangte in einen mittelgroßen Büroraum, in dem einige Männer auf Schreibmaschinen einhämmerten, in Telefone brüllten oder Papiere sortierten. Es herrschte ein ziemlicher Lärm.
    Lilian wandte sich dem nächstbesten der Leute zu.
    »Wer ist denn wohl hier der Chef?«, fragte sie mit ihrem süßesten Lächeln.
    »Thomas Wilson«, antwortete der Mann, ohne sie richtig anzusehen. Er schien einen Artikel zu korrigieren und kaute dabei an seinem Bleistift, wenn er nicht gerade hektisch eine Zigarette paffte. Lilian runzelte die Stirn. Wenn Ben sich hier das Rauchen angewöhnte, wäre der zusätzliche Verdienst wieder weg.
    »Da ...« Der Mann wies mit dem Bleistift auf eine Tür mit einem Schild: ›KONTOR CHEFREDAKTION‹.
    Lilian klopfte beherzt.
    »Kommen Sie rein, Carter! Und ich hoffe, diesmal sind Sie fertig!«, donnerte eine Stimme von drinnen.
    Lilian schob sich durch die Tür. »Ich will nicht stören ...«, sagte sie sanft.
    »Sie stören nicht. Es sei denn, die Kerle da draußen liefern mir endlich die Texte, damit ich sie durchgehen und in den Satz geben kann. Aber das scheint ja zu dauern. Also, was kann ich für Sie tun?« Der schwere, wenn auch nicht direkt beleibte Mann hinter dem Schreibtisch machte keine Anstalten, aufzustehen, bot Lilian aber mit einer Handbewegung einen Platz an. Er hatte ein breites Gesicht, jetzt leicht gerötet und beherrscht von einer Knollennase. Sein Haar war dunkel, begann aber schon zu ergrauen. Wilsons graublaue Augen wirkten zwar ein wenig klein, musterten sein Gegenüber aber hellwach und mit fast jugendlichem Ausdruck.
    Lilian setzte sich auf einen ledergepolsterten Stuhl auf der anderen Seite des mit Papieren überhäuften, unordentlichen Schreibtisches. Aschenbecher gab es auch, der Chef rauchte jedoch Zigarre.
    »Was muss man können, um für Ihre Zeitung zu arbeiten?« Lilian hielt sich nicht mit Vorreden auf.
    Wilson grinste. »Schreiben«, sagte er kurz. »Und Denken wäre wünschenswert. Aber wie der Haufen da draußen täglich beweist, geht es auch ohne.«
    Lilian runzelte die Stirn. »Mein Mann ist Sprachwissenschaftler. Und er schreibt Gedichte.«
    Wilson beobachtete fasziniert das Aufleuchten ihrer Augen.
    »Damit sollten die Grundvoraussetzungen

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