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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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etwas falsch zu machen. Marama und die anderen Frauen tadelten ihre Schülerinnen nicht, sondern erklärten geduldig. Kleine Streitigkeiten unter den Mädchen wurden niemals so erbittert ausgefochten wie im Internat, schon deshalb nicht, weil die Erwachsenen nie Partei ergriffen. Gloria lernte, den gutmütigen Spott der Maori-Mädchen von dem gnadenlosen Hohn ihrer früheren Klassenkameradinnen zu unterscheiden und konnte schließlich mitlachen, wenn Pau sie neckte, ihr selbst gemachter 
poi poi
-Ball wirke wie das Ei eines seltsamen Vogels. Da sie das Ding nicht richtig rund bekam, wirbelte er beim Tanzen in sonderbaren Ellipsen, und als er Ani am Kopf traf, erklärte sie, dies sei wohl eine neue Wunderwaffe.
    »Nur ein bisschen weich, Glory, du musst versuchen, die Dinger aus 
pounamu
 herzustellen.«
    Sie suchten danach in einem Flusslauf, und am Abend zeigte ihnen Rongo, wie man aus dem jadeähnlichen Stein Anhänger in Form kleiner Götterfiguren schnitzte. Gloria und Ani schenkten einander gegenseitig ihre 
hei-tiki
, die sie dann stolz um den Hals trugen. Wiremu überraschte Gloria später mit einem noch sehr viel schöneren – schließlich übte er bereits länger.
    »Hier, der soll dir Glück bringen!«
    Die anderen Mädchen klatschten darüber, was Gloria unangenehm war. Aber sie vertraute Wiremu. Er war nichts als ihr Freund.
     
    Gloria begann, die Tage im Kreis ihrer neuen Familie zu genießen – die Nächte im Gemeinschaftszelt empfand sie allerdings immer noch als quälend. Sofern das Wetter es eben erlaubte, schlich sie sich hinaus und schlief draußen, auch wenn sie bei jedem Geräusch aufschreckte. Sie konnte sich noch so oft sagen, dass ihr hier weder Krokodile noch Schlangen auflauern würden wie damals in Australien – die Angst saß tief. Und Geräusche gab es viele in diesen warmen Nächten. Die Mädchen und Jungen verließen kichernd das Zelt oder sonderten sich schon ab, wenn der Stamm noch am Feuer saß. Dann liebten sie sich im Pinienwald oder hinter den Felsen im Gras.
    Gloria fürchtete auch die Männer, die nachts das Zelt verließen, um ihr Wasser abzuschlagen. Sie wusste, dass sie ihr nichts Böses wollten, aber allein die Silhouette eines Mannes vor dem Spiegel des Sees reichte, um ihr Herz wie rasend schlagen zu lassen.
    Wenn die Nächte nicht so warm waren, Gloria es aber trotzdem im Zelt nicht aushielt und sich allein und bibbernd in ihre klamme Decke kuschelte, erschien mitunter Wiremu. Er setzte sich in weitem Abstand zu ihr nieder, und sie redeten. Wiremu erzählte von seiner Zeit in Christchurch. Wie allein er sich am Anfang gefühlt hatte und wie verzweifelt er war, wenn die anderen ihn neckten.
    »Aber es hat dir doch gefallen!«, wunderte sich Gloria. »Du wolltest sogar bleiben und studieren.«
    »Die Schule hat mir gefallen. Und ich bin ein Häuptlingssohn. Ich war groß und stark, und ich habe die 
pakeha
-Jungs das Fürchten gelehrt. Manchmal gab das ein paar Probleme mit den Lehrern, wenn sie petzten. Aber meistens hielten sie anschließend den Mund. 
Mana
 ... du weißt schon.« Er lächelte.
    Gloria verstand. Er hatte Einfluss im Stamm gewonnen, sich durchgesetzt gegen die Quälgeister.
    »Aber du warst einsam«, meinte sie.
    »
Mana
 macht immer einsam. Der Häuptling hat Macht, aber Freunde hat er nicht.«
    Das stimmte, Tonga blieb meistens für sich. Allerdings wollte er es wohl auch so. Er musste seinen schon stark verwestlichten Stamm oft daran erinnern, welche 
tapu
 mit seiner Würde verbunden waren.
    Später, so erzählte Wiremu dann, hatte er sich durch gute schulische Leistungen Respekt an der 
pakeha
-Highschool verschafft. Erst an der Universität war es dann wieder eskaliert. Hier traf er schließlich auf neue Kommilitonen, die nie mit seinen Fäusten Bekanntschaft gemacht hatten. Um auch sie zu schlagen, war er, wie er lächelnd erzählte, »inzwischen zu zivilisiert«.
    Gloria selbst sprach wenig von ihrer Kindheit in England. Ein bisschen von Miss Bleachum, und darüber, dass sie sich immer für Pflanzen und Tiere interessiert hatte.
    »Miss Bleachum meinte, ich sollte Naturkunde studieren. Dann hätte ich in Dunedin bleiben können. Aber ich weiß so wenig ... wir haben immer nur musiziert und gemalt ... und seltsame Bilder angesehen.«
    Gloria erwähnte Europa und Zeus, der sich in sie verliebte und sich in einen Stier verwandelte, um seiner argwöhnischen Gattin zu entkommen. Wiremu hatte Latein und ein wenig Griechisch im College

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