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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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hatte ihn erneut erstarren lassen.
    Charlotte lächelte. In ihren Mundwinkeln zeigten sich Grübchen. Jack war hingerissen.
    »Die Straßen sind weitaus besser, als ich sie in Erinnerung habe«, sagte Charlotte mit ihrer singenden Stimme.
    Jack nickte. Er sehnte sich danach, irgendetwas Intelligentes zu sagen, aber in Charlottes Gegenwart konnte er nicht klar denken. Wenn er vor ihr stand, war er nur noch Gefühl. Alles in ihm wollte diese Frau berühren, beschützen, an sich binden ... aber wenn es ihm nicht irgendwann gelang, sie wenigstens ein bisschen zu beeindrucken, würde sie ihn ewig für einen Dorftrottel halten.
    Immerhin gelang es ihm, das Mädchen halbwegs flüssig seinen Eltern vorzustellen, wobei James McKenzie sofort genau die Galanterie entwickelte, die Jack im Umgang mit Charlotte gänzlich abging.
    »Internatserziehung in England erscheint mir plötzlich eine sehr gute Sache«, bemerkte er. »Wenn sie derart reizende Geschöpfe wie Sie hervorbringt, Miss Charlotte. Und Sie interessieren sich für die Maori-Kultur?«
    Charlotte nickte. »Ich würde die Sprache gern erlernen«, erklärte sie. »Jack spricht ja wohl fließend Maori ...« Sie streifte Jack mit einem Blick, der James McKenzie wachsam werden ließ. Das Leuchten in den Augen seines Sohnes war ihm früher schon aufgefallen. Aber auch Charlotte schien interessiert zu sein.
    »Er wird zweifellos die nächsten drei Monate damit zubringen, Ihnen Worte wie Taumatawhatatangihangakoauauotamateaturipukakapikimaungahoroukupokaiwhenuakitanatahu beizubringen.« James zwinkerte ihr zu.
    Charlotte biss sich auf die Lippen. »Sie haben so ... lange Wörter?«
    Ihr schienen soeben Zweifel an ihrem Vorhaben zu kommen. Und wieder war da dieses ernsthafte Stirnrunzeln, das Jack schon bei ihrem ersten Treffen entzückt hatte.
    Das Bedürfnis, das Mädchen zu trösten, setzte Jacks normales Sprachvermögen erneut in Gang. Er schüttelte den Kopf. »Das ist ein Berg auf der Nordinsel«, klärte er sie auf. »Und das Wort gilt auch unter Maoris als Zungenbrecher. Am besten beginnen Sie mit einfacheren Worten. 
Kia ora
 zum Beispiel ...«
    »... heißt Guten Tag!«, lächelte Charlotte.
    »Und 
haere mai
 ...«
    »Willkommen!«, übersetzte Charlotte, die offensichtlich schon erste Studien betrieben hatte. »Frau heißt 
wahine

    Jack lächelte. »
Haere-mai

wahine
 Charlotte!«
    Charlotte wollte etwas erwidern, suchte aber nach einem Wort. »Und was heißt Mann?«, fragte sie.
    »
Ta n e
 «, half James.
    Charlotte wandte sich Jack erneut zu. »
Kia ora

tane
 Jack!«
    James McKenzie suchte den Blick seiner Frau Gwyneira. Auch sie hatte die Begrüßung der jungen Leute beobachtet.
    »Sieht aus, als brauchten sie keinen Umweg über Irish Stew«, lächelte Gwyneira und spielte auf das erste Aufkeimen ihrer Liebe zu James an. Sie hatte das Maori-Wort für Thymian gesucht, und James hatte die Kräuter für sie gefunden.
    »Aber Bibelsprüche könnten demnächst wichtig sein«, zog er sie auf und warf den jungen Leuten vielsagende Blicke zu. Als Gwyneira nach Neuseeland gekommen war, hatte es erst ein Buch gegeben, das in Maori übersetzt worden war: die Bibel. Wenn sie ein bestimmtes Wort brauchte, hatte sie oft lange darüber nachgedacht, in welchem Zusammenhang es dort wohl zu finden sein könnte. »Wo du hingehst, da will auch ich hingehen ...«
     
    Während Gwyneira und James mit George und Elizabeth Greenwood plauderten, führte Jack Charlotte über die Farm, auf der es jetzt, nach dem Abtrieb der Schafe, vor Leben wimmelte. Alle Ställe waren mit dickbäuchigen Wolllieferanten besetzt, sämtlich gut genährt und gesund, mit gleichermaßen sauberer, dicker Wolle am Leib. Sie würde die Tiere im Winter warm halten und dann, bei der Schur vor dem erneuten Auftrieb in die Berge, zum Wohlstand von Kiward Station beitragen. Über die Schafe zu sprechen fiel Jack leichter als Salonkonversation zu machen, und langsam fand er seine Selbstsicherheit wieder. Schließlich wanderten er und Charlotte ins Maori-Dorf hinüber, und Jacks selbstverständlicher Umgang mit den Ureinwohnern sorgte nun auch endlich dafür, dass Charlotte beeindruckt wirkte. Sie freute sich an dem idyllischen Dorf am See und bewunderte die Schnitzereien der Ve rs a m mlu n gs häus e r.
    »Wenn Sie Lust haben, reiten wir morgen hinüber nach O’Keefe Station«, meinte Jack schließlich. »In dieser Siedlung hier wohnen nur noch die Leute, die täglich zur Arbeit auf die Farm

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