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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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begeistert ein Baby im Arm.
    Tim runzelte die Stirn, als Elaine nach dem Halt des Zuges so rasch aufsprang, dass sie seine Krücken zu Boden stieß. Roly hob sie auf und half ihm hoch. Caleb stierte genauso interessiert auf den Bahnsteig wie Elaine. So munter wirkte er sonst eigentlich nur, wenn ein Klavier in der Nähe war oder ein leibhaftiger Maori für ihn tanzte.
    »Welcher von den Greenwood-Sprösslingen hat denn noch so kleine Kinder?«, fragte Tim unwillig, als er sich, von Roly gestützt, aus dem engen Abteil wand. Roly zuckte die Achseln. Über den Kindersegen der Bekanntschaft seines Herrn führte er nicht Buch, allerdings hatte er natürlich etwas läuten hören. Tatsächlich hatte er sogar mit seiner Frau diskutiert, ob er Tim nicht etwas stecken sollte. Aber Mary hatte sich energisch dagegen ausgesprochen. »Es soll doch schön werden! So richtig romantisch! Oh, ich wünschte, ich könnte dabei sein!« Dabei schob sie 
Die Herrin von Kenway Station
 auf dem Tisch hin und her. Roly hatte vorher nie gesehen, dass Mary ein Buch las, doch über das Schicksal der Heldin in diesem Roman konnte sie heiße Tränen vergießen.
    Elaine kletterte behände aus dem Zug. Die neue Mode, kürzere Kleider, kam ihr sehr entgegen. Nun begrüßte sie George mit wenigen Worten und wandte sich dann Elizabeth und dem Baby zu. Ein rothaariger kleiner Junge.
    Tim wusste nicht recht, was er denken sollte. Elaine war eine gute Mutter, aber fremden Babys hatte sie bisher eher wenig Interesse entgegengebracht. Welpen und Fohlen lagen ihr deutlich mehr.
    »Tag, George!« Tim gab Greenwood die Hand. »Was habt ihr denn da noch für einen Nachkömmling? Elaine ist ja ganz verrückt nach ihm ...« Tim sah genauer hin. »Sieht ihr fast ein bisschen ähnlich. Von Stephen und Jenny?«
    Georges Schwiegersohn Stephen war Elaines Bruder.
    George grinste. »Also ich finde, er sieht eher dir ähnlich ...«
    Tim runzelte die Stirn. Aber tatsächlich. Der kleine Junge hatte seine kantige Gesichtsform und entschieden ein Grübchenlächeln. Sein Gesicht war allerdings ein bisschen lang ...
    »Er hat jedenfalls nichts von Florence.« Das war Caleb Biller, und es klang sehr zufrieden. Tims eben aufkeimende Ahnung wurde zur Gewissheit.
    »George«, sagte er streng. »Gib es zu. Es gibt keine Wissenschaftler aus Wellington. Dies ist ein Komplott. Und dies ist ...«
    »Galahad«, gurrte Elizabeth. »Sag deinen Grandpas Hallo, Gal!«
    Das Baby sah unschlüssig von einem zum anderen. Dann lächelte es den grimassenschneidenden Roly an.
    Tim fand es plötzlich schwierig, das Gleichgewicht zu halten.
    »Doch, es gibt einen Wissenschaftler aus Wellington«, bemerkte George. »Du weißt, ich würde dich nie anlügen. Er versteht auch ein bisschen was von Bergbau ... wenn man den 
pounamu
-Abbau bei Te Tai-poutini dazurechnet, über dessen Geschichte und ihren Widerhall in Maori-Mythen er mir heute Morgen beim Frühstück einen langen, erhebenden Vortrag gehalten hat.«
    Elaine unterdrückte ein Kichern, was bei Galahad gut ankam. Er gluckste. Elaine nahm ihn Elizabeth ab.
    »O ja, es gibt da auch ein 
haka
 ...« Caleb schien nicht übel Lust zu haben, dem Vortrag seines Sohnes noch einiges hinzuzufügen. Aber dann besann er sich doch auf seine Pflichten als Großvater. Caleb war immer ein untadeliger Gentleman. Mit ernster Miene förderte er eine winzige 
putatara
 aus der Tasche und hielt sie Galahad hin. »Sie wird aus Muscheln gefertigt«, erklärte er dem interessiert blickenden Baby. »Vor allem aus einer besonders an den Stränden der Ostküste verbreiteten Art. Je größer die Muschel, desto tiefer der Ton. Am ehesten wäre sie der europäischen Trompete vergleichbar, die ...«
    »Caleb!«, seufzte Elaine. »Blas einfach hinein!«
    Sämtliche Erwachsenen hielten sich die Ohren zu, aber das Baby quietschte hingerissen, als Caleb dem Instrument einen durchdringenden Ton entlockte.
    Tim kam sich plötzlich dumm vor. Er musste dem Kind auch ein Geschenk besorgen. Etwas für einen Jungen! Und wieso hatte Caleb eigentlich Bescheid gewusst?
    Roly stieß ihn an und drückte ihm eine Spielzeuglokomotive in die Hand.
    »Du ...?« Tim raunte Roly den Beginn einer Standpauke zu, doch Roly verwies nur mit einem Fingerzeig auf Elaine, die selbstvergessen mit dem Baby schäkerte. Tim versuchte, ihr böse zu sein, konnte dann aber nicht anders, als breit zu grinsen. Galahad hatte die Lokomotive entdeckt, griff danach und gab einen Laut des Entzückens von

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