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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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Ersatzbatterien mitnehmen, entschied er, und kramte in seinen Schubladen, bis er eine ungeöffnete Packung fand.
    »Ich bin in erster Linie dafür, dass du solche Entscheidungen vielleicht mal mit mir absprichst«, stellte sein Vater fest. Ihm war anzumerken, dass er sich nur mühsam beherrschte. »Du brauchst dir nämlich nicht einzubilden, dass du hier einfach machen kannst, was du willst! Immerhin bist du noch nicht volljährig. Ohne meine Erlaubnis läuft hier gar nichts, merk dir das.« Sein Ärger wuchs mit jedem Augenblick, das spürte Ethan.
    Doch er blieb weiterhin ungerührt. »Tut mir ja wirklich leid, Dad, aber auf deine Erlaubnis kann ich diesmal leider nicht warten.«
    »Aha, du kannst also nicht warten!« Das Gesicht seines Vaters verzog sich spöttisch. »Der junge Herr hat’s eilig, was?«
    »Stimmt. Es handelt sich um einen Notfall.«
    »Ach, ein Notfall. Das ist ja interessant« Sein Vater sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    Ethan biss heimlich die Zähne zusammen, doch nach außen zeigte er eine unverändert gelassene Miene. Einfach nicht hinhören, dachte er bei sich. Er würde sich auf keine Diskussion einlassen. Es ging um Patricias Leben, was bedeuteten dagegen der Zorn und der Spott Alastair Longmuirs!
    Ethan hatte in den letzten Tagen so viel nachgedacht wie selten zuvor. Besonders seit Patricias Verschwinden wirbelten die Gedanken nur so durch seinen Kopf. Er merkte, dass er an einen Punkt gelangt war, wo er nicht mehr weitermachen konnte wie zuvor. Ihm wurde endlich klar, dass er sich häufig hinter der Tyrannei seines Vaters einfach versteckt hatte. Es war viel leichter gewesen, sich über die dominante Art des alten Longmuir zu ärgern, unter seiner Verachtung zu leiden und sein eigenes Selbstmitleid zu hätscheln, als endlich einmal etwas dagegen zu unternehmen. Selbst Ethans vermeintliche Rebellion gegen Entscheidungen, die sein Vater für ihn traf, war in Wirklichkeit nicht mehr als eine Art Bockigkeit. Zum Beispiel die Sache mit St. Andrews – hatte er irgendwann ernsthaft widersprochen? Er hatte protestiert und sich geärgert, ja, aber hatte er auch wirklich argumentiert? Seinen festen Standpunkt deutlich gemacht? Und, was noch wichtiger war, verfügte er denn überhaupt über eigene Zukunftspläne, und hatte er diese geäußert? Nein, musste sich Ethan ehrlich eingestehen. Sein Wunsch, Informatik zu studieren, war bis heute kaum mehr als eine vage Idee, über die er bisher noch gar nicht richtig nachgedacht, geschweige denn jemals ernsthafte Schritte zu ihrer Realisierung unternommen hatte. Durfte er sich deshalb wirklich wundern, dass sein Vater ihn und seinen Widerstand gegen St. Andrews nicht ernst nahm?
    Patricia war da ganz anders. Wenn ihr etwas wichtig war, dann kämpfte sie dafür. Egal, was es sie persönlich für Opfer kostete.
    In dieser Hinsicht hatte Patricia ihm einiges voraus.
    Diesmal jedenfalls, hatte sich Ethan geschworen, würde er sich durch nichts und niemanden von seinem Plan abhalten lassen.
    Und so begegnete er dem höhnischen Blick seines Vaters in völliger Ruhe.
    »Ganz recht, ein Notfall. Meine Freundin hat sich in den Bergen verirrt und ich muss sie finden, bevor ihr etwas passiert.«
    Ethan war sich darüber im Klaren, dass er damit eine Bombe platzen ließ, doch es war ihm egal. Sollte sein Vater doch denken, was er wollte!
    Sah er da etwas wie Verblüffung im Gesicht seines Vaters? Ethan musterte ihn aus den Augenwinkeln.
    Doch der Augenblick ging schnell vorbei und die Miene Alastair Longmuirs zeigte gewohnte Herablassung.
    »Ach, sieh mal an! Das wurde ja auch Zeit. Und ich dachte neulich noch, die Kleine hat sich bestimmt verwählt, denn dich kann sie doch nicht ernstlich gemeint haben.«
    »Da hast du dich wohl getäuscht.« Ethan schnürte den Rucksack zu und band dann seine Bergschuhe mit den Schnürsenkeln daran fest.
    »Und verirrt, du liebe Güte! Ist wohl ein bisschen ungeschickt, deine kleine Freundin, was? Nicht sonderlich helle?«
    Ethan atmete tief durch. Patricias hübsches, offenes Gesicht erschien vor seinem geistigen Auge und für einen kurzen Moment war er nahe daran, seine mühsam bewahrte Beherrschung zu verlieren. Doch dann riss er sich zusammen.
    Er legte den Rucksack auf dem Bett ab, richtete sich auf und drehte sich zu seinem Vater um. Er war größer als der alte Longmuir, fiel ihm nun zum ersten Mal auf.
    »Hör zu, Dad«, sagte er und merkte dabei, wie er auf einmal innerlich vollkommen ruhig wurde. »Wenn du

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