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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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ihrem Pony. Sie klemmte im Sattel, als ob dieser einen eingebauten Schleudersitz beinhalten würde und zu befürchten wäre, dass er sie jeden Moment loskatapultierte. Wie bei ihrer ersten Begegnung klammerte sie sich außerdem krampfhaft an der Mähne des Pferdes fest. Aus diesem Grund hatte sie für die Zügel natürlich keine Hand mehr frei und kämpfte die ganze Zeit sichtlich darum, die Riemen nicht zu verlieren. Von einer Zügelführung konnte keine Rede mehr sein, das bemerkte Patricia auf den ersten Blick.
    Sie wunderte sich wirklich. Michelle hatte offensichtlich eine Todesangst auf dem Pony. Warum zum Teufel ging sie überhaupt reiten?
    Ihr sandfarbenes Pony wirkte ebenfalls leicht gereizt, wie Patricia feststellte. Es tänzelte mit missmutig angelegten Ohren unruhig auf der Stelle, warf den Kopf hin und her und riss seiner Reiterin dabei immer wieder die Zügel aus den Fingern. Es war ihm allerdings auch nicht zu verdenken, dachte Patricia. Michelles Griff tat ihm sicher weh, vor allem, weil sie immer noch fester zupackte, sobald ihr die Zügel wieder einmal davonrutschten. Und natürlich spürte der Wallach die Unsicherheit seiner Reiterin, die ihn selbst nervös werden ließ.
    Warum unternahm Damian nichts?
    Patricia fand es unverantwortlich von ihm, Michelle trotzdem auf Ausritten mitzunehmen. Es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis etwas passierte.
    Dies alles schoss ihr in wenigen Momenten durch den Kopf, während Damian nun seine Schäfchen um sich scharte, um ihnen einen Vortrag zu halten.
    »Normalerweise galoppiert man nicht auf der letzten Strecke nach Hause«, erklärte er. »Die Pferde kennen den Weg, wissen, dass es heim in den Stall geht, und die Gefahr, dass sie durchgehen und sich nicht mehr aufhalten lassen, ist dann besonders groß.« Er blickte von einem zum anderen Gesicht, wohl um zu überprüfen, wie seine Worte wirkten. Fünf junge Reiter und Reiterinnen hingen mit aufgeregten, rotbackigen Gesichtern an seinem Mund und Patricia, die im Hintergrund stand und zuhörte, sah, wie einige von ihnen sich unwillkürlich fester in den Sattel setzten und die Zügel ordneten. Sie schienen alle nichts gegen einen zünftigen Galopp zu haben.
    Ausgenommen Michelle. Ihr ohnehin blasses Gesicht wurde noch ein wenig bleicher. Patricia tat das Mädchen leid – sie kannte zwar gottlob das Gefühl der Angst beim Reiten nicht, aber sie hatte so etwas bei einem von Helens jüngeren Reitschülern miterlebt. Patricia wusste nur zu gut, dass es zwecklos war, sich weiter mit dem Reiten herumzuquälen, wenn man nicht irgendwie schaffte, die Furcht zu besiegen.
    Ein Anflug von Zorn überkam sie, als sie Michelle beobachtete, die immer nervöser wurde, während Damian nun fortfuhr.
    »Bei unseren Ponys ist das zum Glück nicht so gefährlich«, sagte er und sah seine Schüler mit gerunzelter Stirn an, damit keiner auf die Idee kam, die Sache trotzdem zu leicht zu nehmen. »Sie leben das ganze Jahr über auf verschiedenen Weiden, das heißt, der Stall übt auf sie keine besondere Anziehungskraft aus.« Er wies auf den Weg zu den Gebäuden. »Wenn wir jetzt also das letzte Stück bis zum Hof galoppieren, ist das für die Ponys nichts anderes, als wenn wir sonst irgendwohin reiten, und es sollte keine Probleme geben.« Sein Blick wanderte wieder über die Jugendlichen. »Trotzdem, ihr wisst, keine Übermütigkeiten bitte!« Er wies auf einen größeren Jungen, der mit seinem Schimmel während Damians Predigt schon ungeduldig Kreise geritten war. »Das gilt besonders für dich, Tommy!«
    »Mann ey«, maulte Tommy. »Immer ich!«
    »Ja, immer du«, betonte Damian. »Ich will nicht wieder erleben, dass du hier irgendwelche Extratouren veranstaltest. Also, keine Sprünge über die Entwässerungsgräben und du parierst dein Pferd außerdem bitte durch, bevor du in den Innenhof reitest!«
    Die anderen Reitschüler begannen zu kichern, während Tommy ein mürrisches Gesicht zog.
    Patricia betrachtete ihn von der Seite. Ein Angeber, urteilte sie für sich. Solche kannte sie auch aus Helens Stall.
    Damian wendete sein Pferd und nahm es kurz in den Zügel.
    »Also, alle aufgepasst!«
    Die Jugendlichen taten es ihm gleich. Sie wirkten konzentriert.
    »Ihr wisst, wie’s geht – Oberkörper gerade halten, tief sitzen, das Pferd versammeln.«
    Damian beobachtete, ob alle seinen Anweisungen folgten.
    Michelle befand sich mit ihrem Pony hinter den anderen, aber Patricia reckte den Hals und sah, wie sie mit den Zügeln

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