Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
Vom Netzwerk:
Kind flennte, brachte ihn noch mehr auf.
    Das war wirklich zu viel gewesen. Was erdreistete sich diese Schnepfe, von seiner Mutter zu sprechen! Was ging es sie an?
    Verdammt, er würde viel dafür geben, wenn er eine solche Mummy hätte! Die ihm seinetwegen auch noch die Reithosen flickte, wie das Gör so frech empfohlen hatte, das war ja völlig egal. Aber er hatte keine, hatte keine, hatte keine!
    Ethan spürte, wie erneut der Schmerz in ihm hochstieg. Doch diesmal unterdrückte er ihn. Das fehlte noch, dass er jetzt und hier heulte!
    Und schuld war nur dieses Mädchen!
    Ethan merkte nicht, wie der Regen ihn immer mehr durchnässte. Mit steifem Rücken und verkrampften Händen saß er auf seinem Braunen. Der Regen lief ihm von den Zweigen der Fichten hinunter ins Genick, doch er achtete nicht darauf. Sein Blick war auf Patricia gerichtet, die ihre Hände wieder aus den Taschen nahm, als Michelle das Absatteln endlich geschafft hatte. Die beiden sprachen miteinander. Ethan konnte nicht hören, worum es ging, aber als er ein schüchternes Lächeln auf dem Gesicht der Jüngeren aufleuchten sah, war er völlig sicher, dass die andere ihr gerade von der Begegnung mit dem Idioten auf dem Berg erzählte.
    Ethan war nicht bewusst, dass er seine Finger immer mehr zusammenkrampfte. Erst als Sonny, dem der heftige Zug an der Trense wehtat, unwillig aufstampfte und den Kopf schüttelte, besann er sich.
    »Entschuldige, Sonny«, flüsterte Ethan und streichelte dem Pferd beschämt den Hals. Gleichzeitig überprüfte er argwöhnisch, ob die Mädchen das Geräusch gehört hatten. Nein, gottlob waren sie zu weit entfernt. Ethan verspürte keine Lust, sie auf sich aufmerksam zu machen, um ihnen dadurch Stoff für neue Spötteleien zu verschaffen.
    Ein besonders großer Tropfen fiel in Ethans Kragen und er erinnerte sich, dass er eigentlich hierher geritten war, um Schutz vor dem Regen zu suchen.
    Eine neue Welle des Ärgers überschwemmte ihn. Jetzt wurde er auch noch wegen dieses Mädchens patschnass!
    Er sah an sich herunter. Seine Reithose war durchweicht, der Pullover sowieso. Da er nie einen Reithelm trug, klebten auch seine Haare klatschnass am Kopf. Er fror inzwischen erbärmlich.
    Na wunderbar – wahrscheinlich bekam er jetzt eine Erkältung. Und alles nur, weil sie ihm den Weg ins Trockene versperrte.
    Ethan biss die Zähne zusammen und nahm mit klammen Fingern die steifen Zügel auf. Es wurde Zeit, dass er nach Hause ritt und sich umzog. Und Sonny durfte auch nicht so nass bleiben, wie er war. Prima, toll gemacht, dachte Ethan und richtete den Vorwurf an Patricia, als stünde sie ihm gegenüber und könnte ihn hören. Hast du gut hingekriegt, wirklich!
    Er wendete Sonny und trieb ihn an.
    Und wünschte Patricia dahin, wo der Pfeffer wuchs.

12.
    Patricia seufzte innerlich auf.
    Wenn sie geahnt hätte, wie viele Nerven sie das kosten würde, hätte sie sich niemals breitschlagen lassen, Michelle Unterricht zu geben. Dieses Mädchen war ein hoffnungsloser Fall, das merkte Patricia schon nach der ersten halben Stunde. Michelle begriff es einfach nicht. Sobald sie im Sattel saß, verlor sie augenblicklich die Kontrolle über all ihre Gliedmaßen.
    Patricia erkannte rasch, dass sie bei ihr vollkommen von vorne anfangen musste. Wie viel Reitunterricht Michelle bisher erhalten haben mochte, er war offenbar völlig an ihr vorbeigegangen.
    Sie hatte keine Ahnung von Zügelführung, Schenkelhilfen waren ein Fremdwort für sie und ihre Haltung auf dem Pferd glich eher der Position auf einem Fahrrad. Zu allem Überfluss ängstigte sich Michelle fast zu Tode, sobald sich das Pferd unter ihr zu bewegen anfing.
    Patricia brachte für ihre Angst sogar Verständnis auf, immerhin war Michelle schon etliche Male abgeworfen worden. Allerdings ging sie davon aus, dass sich die Furcht mit der Zeit verlieren musste, sobald Michelle einmal erkannt hatte, dass mit fortschreitenden Reitkenntnissen ein Abwurf immer unwahrscheinlicher wurde.
    Doch so weit war Michelle noch lange nicht.
    »Bleib doch einfach mal ganz ruhig sitzen«, ermahnte Patricia sie zum wiederholten Mal. »Du musst versuchen, in der Hüfte lockerer zu werden. Halte deinen Oberkörper gerade und geh mit der Hüfte die Bewegungen des Pferdes mit. Es macht keine unerwarteten Seitensprünge, glaub mir!« Sie hielt Linus an der Trense fest, um Michelle mehr Sicherheit zu geben, aber nach einigen Sekunden klappte das Mädchen wieder zusammen und klammerte sich an die Mähne des

Weitere Kostenlose Bücher