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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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wahr?«
    Patricia war erschrocken. Was sollte die Frage?
    »Na ja, es geht so.« Sie bemühte sich um einen beiläufigen Ton.
    »Doch, ich bin sicher, du kennst dich voll aus.« Michelle machte eine ausladende Handbewegung mit den Tüchern, die sie immer noch in der Hand hielt.
    »Warum willst du das denn wissen?«, fragte Patricia, nun doch neugierig.
    Michelle antwortete nicht sofort. Nach einer Weile wisperte sie schüchtern: »Patricia, kommst du wieder her?«
    Nein, nein, nein, wollte Patricia schon heftig antworten. Doch sie schwieg und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Vielleicht.« Sie wunderte sich dabei über sich selbst.
    Michelle zögerte, dann brach es aus ihr heraus: »Kannst du mir nicht ab und zu ein bisschen was zeigen? Ich meine, wie man reitet. Und wie man es macht, dass man keine Angst hat. Und...«Sie brach ab, sichtlich erschrocken über ihre eigene Courage.
    Patricia zuckte unwillkürlich zusammen.
    Michelles Bitte überrumpelte sie, mit so etwas hatte sie nicht gerechnet.
    Reitunterricht geben? Sie?
    Verdammt, sie wollte nicht mehr reiten und das schloss das Erteilen von Unterricht genauso ein!
    Aber Michelle sah sie flehend an und sie musste daran denken, was sie ihr vorhin erzählt hatte. Und dass sie gerade noch bedauert hatte, ihr nicht helfen zu können.
    Damit könnte sie ihr helfen.
    »Bitte«, wiederholte Michelle leise. »Ich möchte doch reiten lernen und ich will endlich keine Angst mehr haben!«
    Patricia wusste, dass es eigentlich ziemlich unverfroren von Michelle war, ihr mit einer derartigen Bitte zu kommen. Immerhin würde es sie eine ganze Menge Zeit kosten. Das Sprichwort vom kleinen Finger und der ganzen Hand schoss ihr durch den Kopf und sie fragte sich, ob sich Michelle eigentlich darüber im Klaren war, was sie da verlangte.
    Doch als sie Michelles banges blasses Gesicht betrachtete, schämte sie sich für ihre Gedanken.
    Patricia entschied sich.
    »Also gut«, sagte sie. »Ab und zu kann ich dir ja ein paar Tipps geben.«
    Michelle strahlte auf und ihre Erleichterung und die neue Hoffnung, die sich in ihrer Miene abzeichnete, versöhnte Patricia mit ihrem Entschluss.
    Sie wusste nicht, ob sie überhaupt genug Ahnung hatte, um Reitunterricht zu geben. Reiten können allein genügte dafür schließlich nicht. Und sie vermochte auch nicht abzuschätzen, ob es überhaupt Sinn machte. Sehr wahrscheinlich beherrschte Michelle ihr Pferd danach auch nicht besser als jetzt und saß weiterhin so verkrampft im Sattel.
    Aber versuchen konnte man es.
    Michelle verdiente eine Chance.
    Und vielleicht ich selbst auch, überlegte Patricia. Sie dachte dabei an ein graues Pony.
    »Übrigens«, meinte sie beiläufig zu Michelle, die voll neuen Mutes Linus energischer abrieb, als es ihr Patricia zugetraut hätte, »du bist doch schon länger hier, oder?«
    »Seit zwei Wochen ungefähr«, bestätigte Michelle.
    »Da kennst du bestimmt die Ponys hier schon ganz gut?«
    »Na ja, nicht alle.« Michelle sah Patricia neugierig an. »Warum?«
    »Ich wollte nämlich gern wissen...« Patricia zögerte, sie kam sich auf einmal albern vor.
    »Ja?«
    Patricia gab sich einen Ruck. »Die graue Stute mit den schwarzen Beinen«, sagte sie. »Draußen auf der Koppel, neben der wir standen, als . . .«
    Michelle nickte, ihr Gesicht verdüsterte sich kurz bei der Erinnerung.
    »Weißt du zufällig ihren Namen?« Patricia atmete auf, es war heraus.
    »Hm.« Michelle überlegte und man konnte erkennen, dass sie im Geiste alle möglichen Ponys durchging. »Ach, ich glaube, ich weiß, welches du meinst«, kam sie dann zu einem Ergebnis. »So eine kleine, hübsche, die immer ein bisschen entfernt von den anderen steht, oder?«
    »Genau die.«
    Michelle lächelte. »Auf der bin ich auch schon mal geritten. Es ist eine ganz Liebe, überhaupt nicht wild oder so. Sie heißt Dallis.«
    Patricia lauschte auf den Klang des Namens.
    »Dallis also«, sagte sie leise.

11.
    Lange nachdem Patricia sich von Michelle verabschiedet hatte, stand Ethan noch immer neben der Baumgruppe auf der Anhöhe und starrte auf den Hof hinab.
    Er hatte das Mädchen sofort als die Spaziergängerin erkannt, die er vor ein paar Tagen oben auf dem Sgurr na Laipaich getroffen hatte. Die ihn derart aus der Fassung gebracht hatte, dass Ethan sich heute noch schämte, wenn er daran dachte.
    Ihr unerwarteter Anblick unten auf dem Hof ließ in ihm die Erinnerung an die Auseinandersetzung mit ihr nur allzu deutlich aufsteigen und Ethan

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