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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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sprechen.« Der Lärm in seinem Kopf drohte die Basis seines Schädels zu sprengen.
    »Sie wissen sehr gut, wovon ich spreche«, sagte Hannah. »Sie dort oben ist nicht Ihre tote Frau, sondern Brigid Mocnessa. Sie unterwandert Ihren Verstand.«
    »Niemand unterwandert meinen Verstand!«
    »Vielleicht merken Sie es ja nicht einmal.«
    »Eher unwahrscheinlich.«
    »Ich habe Ihnen von den Steinen erzählt, weil ich dachte, dass Sie die Zerstörung der Insel aufhalten könnten. Doch wie es aussieht, habe ich mich geirrt. Ich hätte meinen Mund halten sollen, denn die Macht der Steine ist böse. Sie wollte Ihren Sohn vernichten, wie ich von Ihnen weiß, und heute hat sie es wieder versucht. Ich habe gesehen, was passiert ist. Ich sage Ihnen nur eines: Es ist Brigid. Sie weiß um die Kraft der Steine und hat sie benutzt, und sie ist durch diese Kraft gestorben. Dieselbe Kraft bringt sie jetzt zurück. Man hat sie Dienerin des Satans genannt. Sie ist das Feuer, das dort oben lodert, sie ist die Stimme in Ihrem Kopf, und an allem sind die Steine schuld. Sie sind böse. Ich sage es noch einmal: böse und wütend.«
    »Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen.«
    »Sehr genau wissen Sie das!«, entgegnete sie heftig. »Sie müssen sie alle wieder umlegen.«
    »Sie umlegen? Sie sind wohl verrückt!«
    Die alte Frau trat so dicht an ihn heran, dass er sie riechen konnte. »Hören Sie mir gut zu, Mister. Sie will Rache nehmen, und dazu braucht sie unschuldiges Blut. Sie will Ihren Sohn, weil man ihren eigenen getötet hat. Nehmen Sie Ihren Sohn, und verschwinden Sie, bevor sie ihn zu fassen bekommt.«
    Einen Moment lang starrte Peter die Frau wie betäubt an. »Ich werde darüber nachdenken.«
    »Dazu bleibt Ihnen keine Zeit.«
    »Wir gehen ohnehin, sobald wir fertig sind.«
    »Dann werden Sie die Insel niemals verlassen!«, zischte die Alte. »Niemals.« Als sie sich an ihm vorbeidrängte, drückte sie ihm etwas in die Hand. »Sie wollten es doch haben.« Es war Lydias Tagebuch.
    Sie ging über die Wiese zur Treppe. Er folgte ihr und sah zu, wie sie in ihr Boot kletterte. Einige Minuten später bewegte sich das gelbe Licht in Richtung Festland. Er sah auf das Heft in seiner Hand hinunter, und vage erinnerte er sich, dass er es sich noch einmal ansehen wollte, aber warum, wusste er nicht mehr.
    Er starrte auf die dunkle Bucht hinaus. Hatcher hatte Recht. Dieser schielenden Alten war nicht zu trauen.
    Als er ins Haus zurückkehrte, hatte sich der Lärm in seinem Kopf zu einer Art Hintergrundmusik vermindert. Er legte das Tagebuch auf ein Regal im Wohnraum. Wenn er morgen etwas Zeit erübrigen konnte, wollte er es sich ansehen. Oder auch nicht. Im Moment gab es Wichtigeres zu tun.
    Er lief die Treppe zum Anleger hinunter und sprang ins Boot. Dort schaltete er die Funkanlage ein und wählte die Nummer des staatlichen Instituts für Archäologie. Auf dem Anrufbeantworter teilte er Dan Merritt mit, dass sie auf menschliche Überreste gestoßen seien, auf die wahrscheinlich Kapitel 7 , Abschnitt 38 A zutraf. Knapp und köstlich. Morgen war Feiertag – er konnte ihn kaum erwarten. Ein paar Tage später dann würde der Leichenbeschauer kommen, um einen Mordfall auszuschließen, dann der Anthropologe für die ersten Laboruntersuchungen – all der ermüdende Mist, den Dan Merritt so liebte.
    Dann kam ihm ein wunderbarer Gedanke, und er telefonierte noch einmal.
    Danach wanderte er den Strand entlang zur Klippe und ging in Gedanken alle Fragen durch, die ihm schon jetzt zum Hals heraushingen.
    Sie sind der Leiter dieses Unternehmens? Können Sie sich vorstellen, wie weit Heinrich Schliemann mit ein paar Assistenten, einem Sechsjährigen und einer verrückten Alten gekommen wäre? Schaff dir die Scheiße vom Hals, Mann. Auf einem Schiff gibt es nur einen Kapitän. Der muss auch nicht um Erlaubnis fragen.
    Kurz nach Mitternacht erreichte er die Hochfläche. Der Lärm in seinem Kopf war verstummt. Einige Minuten lang betrachtete er den Halbkreis der Steine, durch deren Zwischenräume die Lichter der weit entfernten Wolkenkratzer herüberschimmerten. Zwei Welten aus Stein – und dazwischen eine schwarze Wasserfläche. Je länger er so dastand, desto deutlicher spürte Peter – der alte Peter – den alten Zauber des Ortes. Keinen Hexenzauber, und auch nicht den Zauber der Götter, die in Eichen lebten, sondern die reine Magie des Raums, der Anlage, der Steine, der Zwischenräume und Öffnungen. Diese Magie beflügelte die Fantasie,

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