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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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zurechtzukommen.
    Bis sie zu Hause waren, war es dunkel. Andy hörte eine von Jackies CDs, und Sparky saß mit einem Bier auf der Couch und berechnete ein Horoskop. Der Sternenkreis war mit Zahlen bedeckt, und oben darüber stand A NDREW P ETER VAN Z ANDT , geboren am 6. Januar 1992 um 12 Uhr 01.
    »Na, wie sieht es aus?«, fragte Peter.
    »Nicht ganz einfach«, antwortete Sparky. »Er wurde genau auf einem Scheitelpunkt geboren.«
    »Auf einem Scheitelpunkt?«
    »Ja, so nennt man den Punkt, wo der Mond in ein neues Haus eintritt.«
    »Ist das schlecht?«
    »Weder ja noch nein«, erwiderte sie. »Sein Mars steht in Opposition zum Saturn, während Venus und Pluto sich verbünden. Ich weiß nicht, wie ich das deuten soll. Die Entwicklung ist nach beiden Seiten völlig offen.«
    »Das trifft doch auf jeden von uns zu.«
    »Außerdem wurde er am Fest der Heiligen Drei Könige geboren. Astrologisch gesehen ist das etwas Besonderes.«
    Besonderes. O ja.
    Sie erzählten Andy, dass Jackie Knochen gefunden hatte. Sofort fragte Andy, ob es die Knochen der indianischen Hexenbraut seien, und Peter sagte, dass alle das glaubten. Alle – bis auf ihn.
    Dann brachte Peter seinen Sohn zu Bett.
    »Fahren wir morgen nach Hause, Dad?«
    »Es sieht ganz so aus, als ob sich unsere Pläne noch einmal änderten und wir noch etwas länger bleiben müssten.«
    »Waaas?« Sein Gesicht verzog sich. »Du hast es aber versprochen. Was ist passiert?«
    »Die Knochen sind daran schuld.«
    »Die Knochen von der Hexe?«
    »Genau. Jetzt können sie uns nicht einfach mehr wegschicken.«
    »Aber ich möchte nach Hause!«
    »Zuerst müssen wir noch die Steine aufstellen. Du weißt doch, wie wichtig diese Arbeit für Daddy ist, nicht wahr?«
    Andy ließ den Kopf aufs Kissen sinken. »Ich hasse die Steine. Sie sind böse.«
    »Wie können denn Steine böse sein? Nur Menschen können böse sein.« Er zog die Decke um den kleinen Körper zurecht.
    Andy weinte leise in sein Kissen.
    »Morgen früh wird alles besser sein.«
    »Nein, bestimmt nicht!«
    Jetzt geht das schon wieder los, dachte Peter. Dann kniff er Andy zärtlich in den Hals und löschte das Licht. Als er die Tür schon schließen wollte, hörte er Andy unter Schluchzen schimpfen. »Du bist gemein, Dad. Du willst überhaupt nicht nach Hause fahren.«
    Peter stand wie gelähmt da. Sekundenlang zog sich sein Herz schmerzvoll zusammen, als ob er etwas verloren hätte. Er fühlte einen Druck im Kopf und fragte sich, weshalb Andys Worte ihn so tief getroffen hatten.
    Doch dann wurde der Lärm in seinem Kopf lauter, und mit einem Mal fühlte er sich wie befreit. Die alte Gereiztheit kehrte zurück.
    Das war ja wieder einmal ein schönes Beispiel, nicht wahr? Du reißt dir den Arsch auf, um dein Kind großzuziehen, und er nimmt keinerlei Rücksicht, wenn du das einmal brauchst! Obendrein bezeichnet er dich noch als gemein. Für solche Reden sollte man ihm den Mund kräftig mit Seife auswaschen, dem kleinen Mistkerl!
    Der Lärm wurde lauter.
    Ja, kleiner Mistkerl.
    Du hast ihr das angetan.
    Er stieß die Tür auf.
    Plötzlich war der Raum strahlend hell, und in der Mitte stand Linda und kämpfte mit geschwärzten Gliedern gegen die Flammen. Ihr Haar knisterte im Feuer.
    Eine Sekunde später war die Vision vorbei.
    »Ich hasse dich«, sagte Andy.
    »Wie bitte?«
    »Ich hasse dich, Daddy. Ich kann dich überhaupt nicht mehr leiden. Du bist gemein.«
    Peter spürte, wie sein Körper einen Satz machen wollte, doch das Lachen, das aus dem Erdgeschoss heraufdrang, hielt ihn auf. Er holte tief Luft und ließ sie ganz langsam wieder entweichen. Er zitterte am ganzen Körper. »Irgendwann, mein Kleiner«, flüsterte er, »werde ich dir zeigen, was wirklich gemein ist.«
    Peter knallte die Tür hinter sich zu. Dann hielt er einige Augenblicke lang inne, um sich wieder zu beruhigen. Dabei hörte er, wie Andy in sein Kissen weinte.
    Zur Hölle mit ihm! dachte er und ging nach unten.
    Die anderen lachten über etwas. Sie schienen neuen Mut geschöpft zu haben. Peter freute sich und lächelte sein großes Chefarchäologen-Lächeln.
    »Was schätzt du, wie lange er uns noch arbeiten lassen wird?«, fragte Sparky.
    »Möglicherweise unbegrenzte Zeit«, antwortete Peter. Dann erklärte er das Verfahren. Zuerst musste der Leichenbeschauer die Knochen begutachten, dann kam der Anthropologe und datierte den Fundort. Sobald die Laborwerte ein paar Wochen später feststanden und den Fundort als historisch auswiesen, wurden

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