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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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was man von den strahlenden Klötzen auf der anderen Seite des Wassers nicht behaupten konnte. Der Zauber schlief lediglich in diesen Steinen.
    Plötzlich rührte sich die andere Zauberkraft wieder.
    Peter, ich werde stärker.
    Er hörte keine Worte, sondern spürte nur schemenhafte Eindrücke in seinem Kopf. Und er spürte die Hitze. Er drehte sich um und stöhnte leise.
    Inmitten des steinernen Bogens, genau über den Knochen, schimmerte eine Säule aus purem Licht. Die Hitze war so stark, dass er rückwärts stolperte und seine Augen zu tränen begannen. Im ersten Moment konnte er nichts erkennen, doch dann schien sich das Licht zu einer vagen menschlichen Gestalt zu formen – einer nackten Gestalt. Den Kopf umgab nicht wirres Haar, sondern es schien eng anzuliegen, als ob man es zurückgestreift hätte. Die Schultern waren schmal, die Arme ausgestreckt und die langen Beine leicht geöffnet. Er suchte nach Merkmalen, um sie zu erkennen. Dieselbe schlanke Gestalt. Er suchte nach der Kaiserschnittnarbe, aber das war nicht möglich. Die Erscheinung vibrierte, sodass sein Auge keine Linie lange genug fixieren konnte. Sie strahlte in bläulichem Licht vor einer bernsteinfarbenen Aura und schien der heißeste Punkt dieser Flamme zu sein.
    »Linda?«
    Ja, Peter.
    Seine Augen versuchten ihr Gesicht zu erkennen. »Linda, ich möchte dich sehen.«
    Du musst alle Steine aufstellen, damit ich stärker werden kann.
    Diese Stimme in seinem Kopf – genau wie der Rauch. Genauso beißend. Er zitterte. »Werde ich dich dann sehen?«
    Ich werde zu dir zurückkommen.
    »Ohne dich bin ich wie tot, Linda.«
    Ich werde zu dir zurückkommen, Peter. Für immer.
    Die Worte erfüllten seine Seele mit tiefem Glück.
    »Ich werde sie für dich aufstellen. Das verspreche ich dir. Niemand wird mich daran hindern.«
    Acht Steine lagen vor ihm auf der Erde. Diese Aufgabe konnte er unmöglich allein bewältigen. Er brauchte Männer. Ja, morgen konnte er sie vielleicht dazu bringen, ihm zu helfen.
    »Morgen, Linda. Und dann kommst du zu mir zurück. Versprichst du mir das?«
    Ja, ja, ich komme zurück. Morgen.
    Peter fiel auf die Knie und weinte, während die flammende Gestalt die unwirklichsten Farben annahm. Er wischte sich die Augen, um das Bild zu bannen, aber das war unmöglich. Sie flackerte wie flüssiges Licht und entzog sich ihm immer genau in dem Moment, wenn er sie festhalten wollte. »Linda«, flüsterte er. »Komm zu mir zurück. Dann wird endlich alles wieder gut.«
    Alles wieder gut.
    »Ich hasse das Leben ohne dich. Ich brauche dich. Wir brauchen dich.«
    Andy. Bring ihn mir.
    Die Worte schnitten in seine Seele. »Nein. Nein, das nicht.«
    Ich möchte ihn …
    Er stöhnte vor Qual. »Aber ich habe doch nur ihn.«
    Du möchtest doch deine Linda bekommen …
    »Stelle mich nicht vor eine solche Wahl!«
    Bring ihn mir.
    »Aber, Linda, wie … wie … soll … ich … sicher … sein … dass … du … es … auch bist?«
    Die Feuersäule flackerte so wild, dass ihn das Licht fast erblinden ließ.
    Du weißt, wer ich bin.
    Er musste schreien, weil die Flammen so laut brüllten.
    »Aber … aber ich muss ganz sicher sein. Außer Andy habe ich doch niemanden mehr.«
    Bring ihn mir.
    Er fühlte, dass er ohnmächtig werden würde, wenn das nicht bald aufhörte.
    »Linda, wie heißt Andy mit zweitem Vornamen?«
    ISAAC.
    Wie Fett in der Pfanne, so zischten die Silben in seinem Kopf.
    Lange Zeit lag er flach auf der Erde und lauschte seinem keuchenden Atem. Als er die Augen öffnete, war er von Dunkelheit umgeben. Ganz allein lag er inmitten der Steine.
    Er rollte auf den Rücken und blinzelte die Tränen aus den Wimpern. Seine Haut spannte wie nach einem Sonnenbrand. All diese Sterne. Als er wieder klar sehen konnte, identifizierte er die strahlenden Punkte im Schwanz des Skorpions.
    Sein Kopf schmerzte, aber er würde es überstehen.
    Einige Minuten später rappelte er sich auf. Seine Knie zitterten wie die eines Babys bei den ersten Gehversuchen. Trotzdem schaffte er es den Abhang hinunter bis an den Strand. Hemd und Hose waren durchgeschwitzt, und er starrte vor Schmutz.
    Er zog sich aus und warf sich in die mitternächtliche Brandung. Die Kälte durchzuckte ihn wie ein elektrischer Schlag.
    Am Osthimmel stieg ein kristallweißer Mond am Himmel empor. Morgen würde er voll sein. Rund und voll.
    Isaac. Ein sehr schöner biblischer Name.
    Er hatte ihn schon beinahe vergessen.

 

    32
    Vor Jahren hatte einmal ein Kollege aus

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