Der Ruf der Steine
haben ihn zu Hause angerufen und ihm von dem Fund erzählt. Er kam sofort mit, weil er uns helfen möchte. Wenn die Knochen authentisch sind, könnte Hatcher auf den Gedanken kommen, sie verschwinden zu lassen, um einen Baustopp zu verhindern.«
»Der lässt nichts mehr verschwinden«, sagte Peter. »Weder er noch Flanagan. Sie sind tot.«
Connie wich ein Stück zurück. Peter sah zu ihr empor und hielt dabei den Schädel vorsichtig wie ein schwarzes Ei in seinen Händen. »Ich muss Andy holen«, sagte er, »sonst wird sie wütend.«
Connie wandte sich zum Gehen.
»Wir gehen zusammen zurück«, sagte er und versuchte aufzustehen. Aber da verließ Connie bereits den Kreis. »Wohin gehst du?«
Ohne ein Wort zu sagen, rannte sie los, den Abhang hinunter.
»Connie?«
Doch Connie war längst in der Dunkelheit verschwunden.
»Was machst du?«, rief er ihr nach. »Nimm ihn mir nicht weg!« Er stolperte aus dem Kreis heraus und hinter ihr her. »C ONNIE … LASS DAS ! S IE IST SEINE M UTTER !«
Stolpernd rannte er den Hang hinunter. Im Licht des Wetterleuchtens sah er die gelbe Jacke unten am Strand und beobachtete, wie sie zum Haus lief.
Mehrere Male stolperte er über Tanghaufen und ließ einmal beinahe den Schädel fallen, aber er raffte sich immer wieder auf und rannte weiter den Strand entlang, den Schädel in der Armbeuge fest an sich gedrückt.
Über der Stadt klarte der Himmel bereits auf, und zwischen den dicken Sturmwolken brach das erste Licht des Vollmonds durch.
Als er den Anleger sehen konnte, sah er das Boot auf den Wellen tanzen. Und in diesem Augenblick traf ihn die Erkenntnis: Sie waren zurückgekommen. Genau wie Hatcher wollten sie ihn aufhalten, aber sie wussten ja nicht, worauf sie sich einließen. Dies war ein heiliger Krieg.
Er rannte auf den Steg und durchtrennte mit einem einzigen gewaltigen Schnitt die Treibstoffzufuhr. Benzin ergoss sich ins Boot. Auf dem Armaturenbrett in der kleinen Kajüte fand er ein Feuerzeug. Er sprang auf den Steg, durchschnitt die Taue, warf das Feuerzeug hinein und stieß das Boot in die Wellen, wo es ausbrennen konnte. Weit draußen in der Bucht explodierte der Tank.
Mit dem Schädel in der linken Hand und dem Messer in der rechten stürmte er die Treppe hinauf, dann quer über die Wiese und mit einem einzigen Satz über die drei Stufen auf die Veranda. Mit einem Tritt öffnete er die Tür, aber der Wohnraum war leer. Er rannte in die Küche und sah einen unwirklichen Moment lang seinen Sohn in der Küche stehen. Mit einem blutleeren Schnitt quer über den Hals lächelte ihn der Junge an. »Ich werde Mommy treffen, Daddy.«
Einen Augenblick später war alles vorbei. Lambkin lag so auf dem Tresen, dass Peter die wulstigen Nähte sah, an die er sich vage erinnern konnte.
Er stürmte weiter in den ersten Stock, aber das Haus war leer. Diese heimtückische Bande! Sogar Andys Rucksack war fort. Weit würden sie nicht kommen, dachte er, außer sie wollten die Strecke zum Festland schwimmen.
Er rannte wieder zurück auf die Veranda. Wohin waren sie verschwunden? Sie konnten überall sein. Der Wald hinter dem Haus war nicht allzu groß, und dahinter kam offenes Land bis fast ans andere Ufer. Viel zu viel offenes Gelände. Im Inneren der Insel war schon viel planiert, und in die Sümpfe würden sie sich mit einem Kind nicht wagen.
Auf einmal hörte er ein Schnappen in seinem Kopf. Ein Zeichen des Himmels. Sie konnten überall sein, aber verstecken konnten sie sich längst nicht überall.
Er rannte zurück ins Haus, um etwas zu holen. Dann spurtete er über den Strand. Im Mondlicht schimmerte der Sand makellos weiß, und er setzte in riesigen Sprüngen über die Tanghaufen hinweg. So kraftvoll hatte er sich noch nie gefühlt – als ob er sich in der nächsten Sekunde in eine Erdumlaufbahn katapultieren würde.
Schweißnass erreichte er das Ende des Strandes, aber erschöpft war er nicht im Mindesten.
Neben ihm türmten sich die Felsen bis zu den Sternen empor, und hartes Mondlicht beleuchtete die Konturen. Silbrig umrandete Wolken schwebten wie eine Decke aufs Meer hinaus und enthüllten minütlich mehr Sterne. So viele Sterne, dachte er. Es war unendlich still, aber er konnte die Stille nicht genießen, denn seine nächtliche Arbeit hatte gerade erst begonnen.
Statt zur Klippe empor, kletterte er diesmal über die Felsen an ihrem Fuß. Wie leicht konnte er sich zwischen den glitschigen Steinen und den Gezeitentümpeln einen Fuß verstauchen oder gar ein
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