Der Ruf der Steine
ihren Füßen. Nur das Schlagen der Wellen war zu hören. Am östlichen Himmel hing der Halbmond schief zwischen den Sternen.
»Ein winziger Moment der Ewigkeit.«
»Shelley?«
»Wordsworth.«
»Ich habe keine Lust zu streiten.«
Bevor er es noch richtig merkte, zog er sie bereits an sich. Sie war nicht überrascht, sondern lächelte ein ganz klein wenig. Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf den Mund. Im nächsten Moment jedoch stieß sie ihn zurück.
»Es ist niemals wie im Kino«, sagte er.
»Das ist richtig.«
Er stand genau auf ihren Füßen.
»Wie gesagt, es ist schon ein Weilchen her.«
Geduldig wie eine Mutter rückte sie das ungeschickte Kind zurecht. Nachdem seine Füße die richtige Stellung eingenommen hatten, flüsterte sie: »Und nun los!«
In der nächsten Sekunde küsste er ihren Mund, und ihre Arme umschlangen seinen Hals.
In Sekundenschnelle war alles wieder da – das süße Gefühl, wenn Lippen sich aufeinander pressen, das Aussetzen des Herzschlags und das Kribbeln im ganzen Körper. Connies Lippen wanderten mit quälenden kleinen Küsschen quer über seinen Mund. Er presste sich gegen ihren Körper und fühlte ihre Erwiderung. Als ihre Hand über seinen Rücken glitt und seinen Hals streichelte, glaubte er, vor Wonne vergehen zu müssen.
Sie atmeten beide heftig, aber als er sie auf die Erde hinunterziehen wollte, hielt sie ihn zurück.
»Nun gut«, sagte er und hob die Hände. »Ich will dir ja nichts tun.«
»Zumindest nicht gerade hier«, ergänzte sie, denn sie standen genau am Rand eines ihrer ausgegrabenen Quadrate.
Sie zog ein dickes Badehandtuch aus ihrer Tasche. »Man muss immer auf alles vorbereitet sein.«
»Connie, die Pfadfinderin des Jahres!«
Connie lachte und ergriff seine Hand. Dann zog sie ihn zu einer sandigen Stelle in der Nähe der Kiste, wo sie ihre Geräte verwahrten. Sein Herz klopfte erwartungsvoll.
Sie legte sich zurück und nahm seine Hand. »In situ.«
Peter grinste entzückt. Gott, ich danke dir, dachte er.
Sie löschte das winzige Licht und griff wieder nach seiner Hand. Er wusste zwar nicht, wohin das führen würde, doch er war bereit, ihr überallhin zu folgen. Es war lange, so unendlich lange her …
Im diffusen Licht konnte er erkennen, dass sie lächelte.
»Was denkst du?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht genau. Das sind vermutlich nur die Hormone.«
Lächelnd zog sie sein Gesicht zu sich herunter und küsste ihn zart.
Ohne es zu merken, verfielen sie irgendwann in einen gleichmäßigen Rhythmus, als ob sie einander in den Kleidern liebten. Er kannte sie erst seit vier Tagen, und er hätte trotz aller netten Höflichkeiten nie erwartet, dass sie ihn begehrenswert finden könnte. Seine Hände glitten unter ihr Oberteil. Während er sie küsste, erinnerte er sich unablässig daran, dass es wirklich geschah. Er steckte bereits so tief im grauen Zölibat, dass er so etwas nie mehr für möglich gehalten hätte. Er öffnete die Augen und sah, wie der Mond über ihnen grinste.
Schwer atmend fragte er: »Ist … ist … ich meine … sollen wir?«
»Ich denke schon.« Sie keuchte ein wenig. »Außer du möchtest dich lieber unterhalten.«
Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. »Es ist schon so lange her«, flüsterte er, »dass ich gar nicht mehr weiß, wie es geht. Macht man es immer noch so wie früher?«
»Hm. Heutzutage zieht man die Schuhe aus.«
»Heutzutage hat man vor nichts mehr Respekt!«, meinte er.
Sie lachte und drückte ihn herzlich. »Falls es dich beruhigt: Ich habe es auch schon lange nicht mehr gemacht.«
»Wetten, dass wir uns ganz schnell erinnern werden?«
»Das glaube ich auch.«
Ihre Lippen fanden einander. Er fühlte, wie ihr Mund sich öffnete und ihre Zungenspitze aufreizend seine Lippen liebkoste. Im selben Rhythmus drängte sie sich sanft gegen ihn. Als sie beide nackt waren, legte Connie sich wieder auf das Tuch zurück. Ihre Augen glänzten begehrlich, und sie atmete heftig. »Für Pensionäre gar nicht schlecht.«
Er beugte sich zu ihr hinunter, und sie umschlang seinen Hals und zog ihn in ihre Arme. Zart küssten sie einander. Ihre Lippen öffneten sich und saugten seine ein, und dabei glitten ihre Hände über seinen Rücken und drängten und hielten ihn, damit er ihrem Rhythmus folgte.
In seinem Hinterkopf registrierte Peter beißenden Brandgeruch, aber gleich darauf war es vorbei.
Sanft und genüsslich bewegten sie sich und liebkosten einander mit Händen und Lippen.
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