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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Bauchschmerzen. Atembeschwerden, Haut kalt und klamm, Gesicht blutleer. Puls schwach und unregelmäßig, doch der Verstand bleibt klar.
    Keins der sichtbaren Symptome unterschied sich von denen, die er sowieso zeigte. Bauchschmerzen, und wie!
    Ein fünfzigstel Gran tötet einen Sperling in wenigen Sekunden. Ein Zehntel Gran ein Kaninchen in fünf Minuten. Akonitin, so sagt man, war das Gift in dem Becher, den Medea für Theseus bereitete.
    Ich versuchte, nichts zu hören, nichts zu fühlen, nichts wahrzunehmen außer dem ruckartigen Pochen unter meinen Fingern. Ich bemühte mich mit aller Kraft, die Stimmen über mir auszusperren, die Hitze, den Staub, den Blutgestank, zu vergessen, wo ich war und was ich tat.
    Doch der Verstand bleibt klar.
    O Gott, dachte ich. In der Tat.

12
    Die Rückkehr des John Quincy Myers
    Obwohl sie von den Geschehnissen bei der Sägemühle tief erschüttert war, erklärte Jocasta dennoch, daß sie die geplante Abendgesellschaft stattfinden lassen wolle.
    »Das wird uns von unserem Kummer ablenken«, sagte sie bestimmt. Sie wandte sich mir zu und streckte die Hand aus, um den Musselinstoff meines Ärmels kritisch zu befühlen.
    »Ich rufe Phaedre, damit sie ein neues Kleid für Euch anfängt«, sagte sie. »Das Mädchen ist eine wunderbare Schneiderin.«
    Ich war fest davon überzeugt, daß ein neues Kleid und ein festliches Abendessen nicht reichen würden, um mich abzulenken, doch ich fing einen warnenden Blick von Jamie auf und schloß fest den Mund, um die Worte nicht entschlüpfen zu lassen.
    Da die Zeit knapp und kein geeigneter Stoff vorhanden war, beschloß Jocasta schließlich, eins ihrer eigenen Kleider für mich ändern zu lassen.
    »Wie sieht es aus, Phaedre?« Jocasta runzelte die Stirn und wies in meine Richtung, als könnte sie mein Bild durch pure Willenskraft heraufbeschwören. »Paßt es?«
    »Gut«, sagte das Dienstmädchen, den Mund voller Stecknadeln. Sie steckte drei davon schnell nacheinander in den Stoff, blinzelte mich an, raffte an der Taille eine Falte zusammen und stach noch zweimal zu.
    »Paßt genau«, führte sie aus, diesmal mit leerem Mund. »Sie ist kleiner als Ihr, Miss Jo, und ein bißchen schlanker um die Taille. Hat aber’nen größeren Busen«, fügte sie leise hinzu und grinste mich an.
    »Ja, das weiß ich.« Jocastas Tonfall war scharf - die geflüsterte Bemerkung war ihr nicht entgangen. »Schneide das Mieder auf; wir können Valenciennespitze einsetzen und sie mit grüner Seide unterlegen - schneide ein Stück aus dem alten Morgenrock meines Mannes; die Farbe sollte hierzu passen.« Sie berührte den leuchtend grün gestreiften Ärmel. »Faß die Einschnitte auch mit grüner Seide ein, das
bringt ihr Dekolleté zur Geltung.« Ihre langen, bleichen Finger deuteten die Änderung an und wanderten fast abwesend über meine Brüste. Die Berührung war kühl und unpersönlich, und ich spürte sie kaum, doch ich konnte mich nur mit Mühe davon abhalten zurückzufahren.
    »Ihr habt ein bemerkenswertes Gedächtnis für Farben«, sagte ich überrascht und etwas aus der Fassung gebracht.
    »Oh, an dieses Kleid kann ich mich sehr gut erinnern«, sagte sie. Sie berührte sachte den weiten Ärmel. »Ein Herr hat mir einmal gesagt, daß ich ihn darin an Persephone erinnere - der Frühling in Person, hat er gesagt.« Diese Erinnerung zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht, das wieder verschwand, als sie den Kopf in meine Richtung hob.
    »Welche Farbe hat Euer Haar, meine Liebe? Ich habe vergessen, danach zu fragen. Ihr hört euch irgendwie blond an, aber ich habe keine Ahnung, ob das wirklich stimmt. Bitte sagt jetzt nicht, daß Ihr schwarzhaarig und blaß seid!« Sie lächelte, doch irgendwie klang ihr Scherz wie ein Befehl.
    »Es ist mehr oder weniger braun«, sagte ich und berührte befangen mein Haar. »Aber ein bißchen verblichen; ein paar Strähnen sind schon grau geworden.«
    Sie runzelte die Stirn und schien zu überlegen, ob sie braun passend fand oder nicht. Da sie nicht in der Lage war, die Frage selbst zu beantworten, wandte sie sich an das Dienstmädchen.
    »Wie sieht sie aus, Phaedre?«
    Die Frau trat einen Schritt zurück und blinzelte mich an. Wie alle anderen Haussklaven war sie es wohl gewohnt, ihrer Herrin sorgfältige Beschreibungen zu liefern. Ihre dunklen Augen überflogen mich hurtig und ruhten einen langen Augenblick abschätzend auf meinem Gesicht. Sie nahm zwei Nadeln aus dem Mund, bevor sie antwortete.
    »Genau richtig, Miss Jo«,

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