Der Ruf Der Trommel
Jahrhunderten der Abgeschiedenheit in ihren Bergfestungen neigten die Highlander nicht dazu, sich in die Belange anderer einzumischen - aber Gnade dem, der sich in die ihren einmischte.
Campbell und MacNeill hielten dies ganz klar für Jamies Angelegenheit - aber tat er selbst das auch? Jamie war kein abgeschieden lebender Highlander, beruhigte ich mich. Er war weitgereist und gebildet,
ein kultivierter Mann. Und er wußte verdammt gut, was ich von dieser Sache hielt. Ich hatte allerdings das dumpfe Gefühl, daß meine Meinung bei den Entscheidungen dieses Tages keine besondere Rolle spielen würde.
Es war ein heißer, windstiller Nachmittag, die Zikaden zirpten laut in den Kräutern am Straßenrand, doch meine Finger waren kalt und lagen steif auf den Zügeln. Wir hatten ein paar andere Grüppchen überholt; kleine Pulks von Sklaven, die zu Fuß zur Sägemühle unterwegs waren. Sie blickten nicht auf, wenn wir vorbeikamen, sondern zogen sich an den Rand der Büsche zurück, um uns Platz zu machen.
Ein tiefhängender Zweig fegte Jamie den Hut vom Kopf; er fing ihn geschickt und setzte ihn wieder auf, doch zuvor konnte ich sein Gesicht einen Moment lang sehen. Seine Gesichtszüge waren angespannt vor Nervosität. Mit leichtem Schrecken begriff ich, daß er auch nicht wußte, was er tun würde. Und das machte mir mehr angst als alles andere zuvor.
Plötzlich waren wir im Kiefernwald; das gelbgrüne Flimmern der Hickory- und Erlenblätter wich abrupt dem dunkleren Licht kühlen Tiefgrüns, als bewegte man sich von der Meeresoberfläche in ruhigere Tiefen.
Ich griff hinter mich, um die Holzkiste zu berühren, die hinter meinem Sattel festgeschnallt war, und versuchte den Gedanken an das, was vor uns lag, zu verdrängen, indem ich mich im Geiste auf die einzige Rolle vorbereitete, die ich bei dem bevorstehenden Unheil spielen konnte. Ich würde es wahrscheinlich nicht verhindern können, doch ich konnte versuchen, den Schaden zu lindern, der bereits geschehen war. Desinfektion und Säuberung - ich hatte eine Flasche mit destilliertem Alkohol und eine Lösung aus Knoblauchsaft und Minze. Dann die Wunde verbinden - ja, ich hatte Verbandszeug - doch sicher mußte sie erst genäht werden?
Während ich mich noch fragte, was sie wohl mit Byrnes’ abgetrenntem Ohr gemacht hatten, hielt ich inne. Das Summen in meinen Ohren kam nicht von den Zikaden. Campbell, der vorausgeritten war, zog scharf die Zügel an, um zu lauschen, und wir anderen hielten hinter ihm.
Stimmen in der Ferne, viele Stimmen, ein tiefes, aufgebrachtes Brummen wie von einem umgestürzten Bienenstock. Dann gedämpftes Rufen und Schreien und plötzlich der laute Knall eines Schusses.
Wir galoppierten zwischen den Bäumen hindurch den letzten Hang hinunter und donnerten auf die Lichtung mit der Sägemühle. Die freie Fläche war voller Menschen; Sklaven und Leibeigene, Männer,
Frauen und Kinder, irrten in Panik zwischen den aufgetürmten Baumstämmen herum wie durch einen Axthieb freigelegte Termiten.
Dann vergaß ich die Menge um mich herum. Meine ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf die Seitenwand der Mühle, wo ein Kranzug aufgebaut war, der mit Hilfe eines riesigen Krummhakens Baumstämme zum Sägeblatt hinaufhieven konnte.
Der Körper eines Schwarzen war auf den Haken gespießt und wand sich gräßlich wie ein Wurm. Blutgeruch hing süß und scharf in der Luft, und auf dem Podest unter dem Kran bildete sich eine Lache.
Mein Pferd blieb stehen und trat, durch die Menge behindert, von einem Bein auf das andere. Das Geschrei war zu Stöhnen und hier und da einem Kreischen der Frauen in der Menge abgeebbt. Ich sah, wie Jamie vor mir aus dem Sattel glitt und sich mit Gewalt einen Weg zur Plattform bahnte. Campbell und MacNeill waren bei ihm und schoben sich entschlossen durch die aneinandergepreßten Körper. MacNeills Hut fiel herab, unbeachtet, und wurde am Boden zertrampelt.
Ich saß wie erstarrt im Sattel und konnte mich nicht bewegen. Es waren noch mehr Männer auf dem Podest; ein kleiner Mann, dessen Kopf auf groteske Weise mit Bandagen umwickelt war, die auf einer Seite reichlich mit Blut befleckt waren; mehrere andere Männer, Weiße und Mulatten, die mit Knüppeln und Musketen bewaffnet waren und gelegentlich drohend in die Menge stießen.
Nicht, daß es irgend jemanden dazu zu drängen schien, das Podest zu stürmen; im Gegenteil, es herrschte allgemeines Gedränge in die andere Richtung. Die Gesichter um mich herum zeigten Gefühle, die
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