Der Ruf Der Trommel
Hoffnungslosigkeit zusammengesunken.
Innerhalb der letzten Stunde hatte ich erst Qualen erlitten, weil ich Angst hatte, ihn in Schottland zu verlieren, hatte dann unbändiges Verlangen verspürt, ihn in den Blumenbeeten zu verführen, gefolgt von dem dringenden Bedürfnis, ihm ein Ruder über den Schädel zu ziehen. Jetzt war ich wieder bei der Zärtlichkeit angelangt.
Schließlich ergriff ich eine seiner großen, rauhen Hände und glitt nach vorn, so daß ich zwischen seinen Beinen auf den Brettern kniete. Ich legte meinen Kopf an seine Brust und spürte, wie sein Atem über mein Haar strich. Mir fehlten die Worte, doch ich hatte meine Wahl getroffen.
»›Wo du hingehst‹«, sagte ich, »›da will auch ich hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden.‹« Ob es ein schottischer Hügel war oder ein Wald im alten Süden. »Du tust, was du mußt; ich bin bei dir.«
In der Flußmitte strömte das Wasser schnell dahin; und es war dort flach; ich sah die schwarzen Felsen direkt unter der Oberfläche. Jamie sah sie auch und ruderte aus Leibeskräften zum anderen Ufer, wo er uns auf eine Kiesbank treiben ließ und wir in einem Becken zur Ruhe kamen, das von den Wurzeln einer Trauerweide gebildet wurde. Ich lehnte mich aus dem Boot, griff nach einem herabhängenden Zweig und wickelte unsere Fangleine darum.
Ich hatte gedacht, wir würden nach River Run zurückkehren, doch offensichtlich diente dieser Ausflug nicht nur Erholungszwecken. Wir waren vielmehr weiter stromaufwärts gefahren, und Jamie hatte kräftig gegen die langsame Strömung angerudert.
Mit meinen Gedanken allein gelassen, lauschte ich seinem leisen Keuchen und fragte mich, was wir tun würden. Wenn er sich zum Bleiben entschied… nun, vielleicht würde es sich nicht so schwierig gestalten, wie er dachte. Ich unterschätzte Jocasta Cameron nicht, doch ich unterschätzte Jamie Fraser ebensowenig. Colum und Dougal MacKenzie hatten versucht, ihn ihrem Willen zu beugen - und beiden war es nicht gelungen.
Mein Gewissen regte sich für einen Moment bei der Erinnerung daran, wie ich Dougal MacKenzie zum letzten Mal gesehen hatte, den Mund voll tonloser Flüche, als er an seinem eigenen Blut erstickte, Jamies Dolch bis zum Anschlag in seinem Hals. Ich bin ein brutaler Mensch, hatte er gesagt, und du weißt es auch.
Doch es stimmte einfach nicht, es gab einen Unterschied zwischen ihm und Stephen Bonnet, dachte ich, während ich beobachtete, wie sich sein Körper beim Rudern anspannte, wie fließend und kraftvoll sich seine Arme bewegten. Er besaß mehr als das Ehrgefühl, auf das er sich berief: Güte, Mut… und ein Gewissen.
Mir wurde klar, wohin wir unterwegs waren, als er mit einem Ruder innehielt und quer zur Strömung die espenverhangene Mündung eines breiten Baches ansteuerte. Ich war noch nie auf dem Wasserweg hierhergekommen, doch Jocasta hatte gesagt, es sei nicht weit.
Es hätte mich nicht überraschen dürfen, denn wenn er heute nacht unterwegs war, um sich seinen Dämonen zu stellen, war es ein überaus passender Ort.
Kurz hinter der Mündung des Baches ragte die Sägemühle dunkel und schweigend in die Höhe. Hinter dem Gebäude sah man gedämpftes Licht, das aus den Sklavenhütten am Waldrand drang. Um uns herum erklangen die üblichen Nachtgeräusche, doch der Platz selber erschien mir merkwürdig still, trotz des Lärms, der vom Wind in den Bäumen, den Fröschen und dem Wasser kam. Obwohl es Nacht war, schien das hohe Gebäude einen Schatten zu werfen - doch das bildete ich mir sicherlich nur ein.
»Orte, an denen tagsüber viel los ist, machen bei Nacht immer einen besonders gruseligen Eindruck«, sagte ich in dem Bemühen, das Schweigen der Sägemühle zu brechen.
»Ja?« Jamie klang geistesabwesend. »Der hier war mir schon bei Tageslicht nicht besonders sympathisch.«
Ich schauderte bei der Erinnerung.
»Mir auch nicht. Ich habe nur gemeint -«
»Byrnes ist tot.« Er sah mich nicht an; sein Gesicht war der Mühle zugewandt, die durch die Weide halb verborgen war.
Ich ließ das Ende des Taus fallen.
»Der Aufseher? Wann?« fragte ich, mehr von der Plötzlichkeit der Übermittlung als von der Nachricht selbst schockiert. »Und wie?«
»Heute nachmittag. Campbells jüngster Sohn hat die Nachricht kurz vor Sonnenuntergang überbracht.«
»Wie?« fragte ich erstaunt. Ich umklammerte meine Knie und
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