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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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zerknautschte dabei zwei Hände voll elfenbeinfarbener Seide zwischen meinen Fingern.
    »Es war Wundstarrkrampf.« Seine Stimme klang beiläufig und teilnahmslos. »Eine ziemlich unangenehme Art zu sterben.«
    Damit hatte er recht. Ich hatte noch nie selbst gesehen, wie jemand an Tetanus starb, doch ich kannte die Symptome sehr gut: Rastlosigkeit und Schluckbeschwerden, die in zunehmende Steifheit übergehen, dazu Muskelkrämpfe in Armen, Beinen und Hals. Die Krämpfe nehmen an Stärke und Dauer zu, bis der Körper des Patienten so hart ist wie ein Brett und sich in Agonie krümmt. Die Krämpfe kommen, lassen nach, schwellen an, hören auf und werden schließlich immer stärker. Den letzten Starrkrampf kann nur der Tod wieder lösen.
    »Er ist grinsend gestorben, hat Ronnie Campbell gesagt. Aber ich glaube trotzdem nicht, daß es ein glücklicher Tod war.« Es war ein makaberer Witz, doch es lag nicht viel Humor in seiner Stimme.
    Ich setzte mich kerzengerade auf, und trotz der warmen Nacht kroch mir die Kälte die Wirbelsäule hinunter.
    »Es ist auch kein schneller Tod«, sagte ich. Argwohn breitete seine kalten Tentakel in meinen Gedanken aus. »Es dauert Tage, bis man an Tetanus stirbt.«
    »Davie Byrnes hat von Anfang bis Ende fünf Tage gebraucht.« Falls überhaupt eine Spur von Humor in seiner Stimme gelegen hatte, war sie jetzt verschwunden.
    »Du bist bei ihm gewesen«, sagte ich, und ein kurzes Aufflackern von Wut begann, meine innere Kälte aufzutauen. »Du bist bei ihm gewesen! Und du hast es mir nicht gesagt?«
    Ich hatte Byrnes’ Wunde verbunden - sie war gräßlich, aber nicht lebensbedrohend - und mir sagen lassen, daß man ihn an einen »sicheren« Ort bringen würde, bis die Unruhe über den Lynchmord nachgelassen hatte. Aufgewühlt, wie ich war, hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, mich weiter nach dem Aufenthaltsort oder Befinden des Aufsehers zu erkundigen; es war meine eigene Schuld an dieser Nachlässigkeit, die mich wütend machte, und ich wußte das - aber dieses Wissen half nichts.
    »Hättest du denn etwas tun können? Ich dachte, du hättest mir gesagt,
daß Wundstarrkrampf eine der Krankheiten ist, gegen die man nichts tun kann, nicht einmal zu deiner Zeit.« Er sah mich nicht an; sein Profil war der Sägemühle zugewandt. Sein Kopf zeichnete sich schwarz vor den helleren Schatten des bleichen Laubes ab.
    Ich zwang mich, meinen Rock loszulassen, denn ich dachte vage daran, daß Phaedre furchtbare Arbeit damit haben würde, ihn zu bügeln.
    »Nein«, sagte ich etwas bemüht. »Nein, ich hätte ihn nicht retten können. Aber ich hätte nach ihm sehen sollen, ich hätte es ihm leichter machen können.«
    Jetzt blickte er mich an; ich sah, wie er den Kopf wandte, und spürte, wie er sein Gewicht im Boot verlagerte.
    »Hättest du«, sagte er gleichmütig.
    »Und du wolltest es nicht…« Ich hielt inne und erinnerte mich, daß er im Lauf der letzten Woche öfter fortgewesen war, und an seine ausweichenden Antworten, wenn ich ihn fragte, wo er gewesen war. Ich konnte mir die Szene nur zu gut vorstellen: die winzige Dachkammer in Farquard Campbells Haus, in der ich Byrnes’ Verletzung verbunden hatte. Den schmerzgepeinigten Körper auf dem Bett, der langsam unter den kalten Blicken der Männer starb, die durch das Gesetz zu seinen widerwilligen Verbündeten geworden waren. Und er wußte, daß er verhaßt starb. Die Kälte kehrte zurück und überzog meine Arme mit einer Gänsehaut.
    »Nein, ich wollte nicht, daß Campbell nach dir schickt«, sagte er leise. »Es gibt das Gesetz, Sassenach - und es gibt die Gerechtigkeit. Ich kenne den Unterschied nur zu gut.«
    »Es gibt auch so etwas wie Barmherzigkeit.« Und wenn mich jemand gefragt hätte, hätte ich Jamie Fraser einen barmherzigen Mann genannt. Er war einmal einer gewesen. Doch die Jahre, die seitdem vergangen waren, waren hart gewesen - und Mitleid war ein Gefühl, das widrigen Umständen oft zum Opfer fiel. Ich hatte dennoch gedacht, daß ihm seine Güte geblieben war, und der Gedanke an ihren Verlust schmerzte mich. Nein, ich glaube nicht. War er einfach nur ehrlich gewesen?
    Das Boot hatte sich halb um sich selbst gedreht, so daß der Ast jetzt zwischen uns hing. Aus der Dunkelheit hinter den Blättern erklang ein leises Schnauben.
    »Selig sind die Barmherzigen«, sagte er, »denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Byrnes war nicht barmherzig, also hat er keine Barmherzigkeit erlangt. Und was mich betrifft, so hielt ich es nicht

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