Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
daß die Frau es selbst gewesen war - konnte er doch kaum das Gegenteil beweisen. Doch wenn jemand anders herausfand, daß die Sklavin Pollyanne entflohen war - und man würde es selbstverständlich herausfinden! -, und sie gefangen
und verhört wurde, dann würde die ganze Sache sofort herauskommen. Und was dann?
    Ich erschauerte trotz der Hitze. Fand das Gesetz des Blutvergießens in diesem Fall Anwendung? Das sollte es wohl, dachte ich, während ich grimmig noch einen Eimer Wasser über die weißen Glieder schüttete - falls Quantität irgendeine Rolle dabei spielte.
    Der Teufel sollte die Frau holen, dachte ich, indem ich das nutzlose Mitleid unter meinem Ärger verbarg. Das einzige, was ich jetzt noch für sie tun konnte, war, hinter ihr aufzuräumen - im wahrsten Sinne des Wortes. Und vielleicht zu versuchen, ihre Mitspielerin in dieser Tragödie zu retten, die arglose Frau, die ohne böse Absicht einen Mord begangen hatte, wo sie doch nur hatte helfen wollen, und die jetzt vielleicht mit ihrem eigenen Leben für diesen Fehler bezahlen mußte.
    Ich sah, daß Jamie die Weinflasche geholt hatte; er trank im Wechsel mit Farquard Campbell, und beide unterhielten sich angeregt, wobei sie gelegentlich auf die Sägemühle, den Fluß oder in Richtung Stadt deuteten.
    »Habt Ihr was, womit ich sie kämmen kann, Ma’am?«
    Phaedres Frage lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf meine eigentliche Aufgabe. Sie hockte neben der Leiche und befühlte kritisch deren wirres Haar.
    »Würde sie nur ungern so ins Grab legen, das arme Kind«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
    Phaedre kam mir kaum älter vor als die Tote - und es spielte sowieso kaum eine Rolle, ob die Leiche wohlfrisiert beerdigt wurde. Dennoch suchte ich in meiner Tasche und zog einen kleinen Elfenbeinkamm heraus, mit dem sich Phaedre leise summend ans Werk machte.
    Mr. Campbell brach auf. Ich hörte das Zaumzeug seines Gespanns knarren, und die Pferde stampften erwartungsvoll, als der Kutscher aufsaß. Mr. Campbell erblickte mich und verbeugte sich tief, den Hut in der Hand. Ich deutete meinerseits einen Knicks an und sah erleichtert zu, wie er davonfuhr.
    Phaedre hatte ebenfalls in ihrer Arbeit innegehalten und sah der abfahrenden Kutsche nach.
    Sie murmelte etwas und spuckte in den Staub. Sie tat es ohne erkennbare Bösartigkeit - es war eine Geste, die das Böse fernhalten sollte und die ich schon öfter beobachtet hatte. Sie blickte zu mir auf.
    »Mister Jamie sollte Pollyanne besser vor Sonnenuntergang finden. Im Kiefernwald sind wilde Tiere, und Mister Ulysses sagt, die Frau hat zweihundert Pfund gekostet, als Miss Jocasta sie gekauft hat. Sie
kennt den Wald nicht, die Pollyanne; sie ist erst vor einem Jahr aus Afrika gekommen.«
    Ohne weiteren Kommentar beugte sie sich wieder über ihre Arbeit, und ihre Finger wanderten dunkel und wieselflink über das feine Seidenhaar der Toten.
    Ich machte mich ebenfalls ans Werk und stellte mit einigem Schrecken fest, daß das Netz der Umstände, das Jamie umgab, mich ebenfalls erfaßt hatte. Ich blieb nicht unbeteiligt, wie ich gedacht hatte - das wäre nicht einmal dann möglich gewesen, wenn ich es gewollt hätte.
    Phaedre hatte mir nicht deshalb geholfen, Pollyanne zu finden, weil sie mir vertraute oder mich mochte, sondern weil ich die Frau des Herrn war. Pollyanne mußte gefunden und versteckt werden. Und Jamie, so dachte sie, würde Pollyanne selbstverständlich finden und verstecken, sie war schließlich sein Eigentum - oder Jocastas, aber das lief in Phaedres Augen sicher auf dasselbe hinaus.
    Schließlich lag die Fremde sauber auf dem zerschlissenen Laken, das ich als Leichentuch mitgebracht hatte. Phaedre hatte ihr das Haar gekämmt und geflochen, und nun ergriff ich das große Steingutgefäß mit den Kräutern. Ich hatte sie aus Gewohnheit wie auch aus gutem Grund mitgebracht, und jetzt war ich froh darum - nicht so sehr, weil ich sie gegen den Verwesungsprozeß brauchte, sondern weil sie den einzigen - und notwendigen - Hauch einer Zeremonie beisteuerten.
    Es war schwer, diesen stinkenden Klumpen mit der kleinen Hand in Verbindung zu bringen, die sich an die meine geklammert hatte, mit dem furchtsamen Flüstern, das »sagt…« in die erdrückende Dunkelheit gehaucht hatte. Und dennoch war die Erinnerung an sie, an ihr letztes Lebensblut, das sich heiß über meine Hand ergoß, in meinen Gedanken lebendiger als dieser Anblick ihrer leeren Hülle, die nackt in den Händen von Fremden lag.
    Der nächste

Weitere Kostenlose Bücher