Der Ruf Der Trommel
entfernt, und die Frau schnappte nach Luft. Ihr Atem blies heiß in meinen Nacken. Ich tätschelte ihr noch einmal die Hand und sprach sie an, doch sie antwortete nicht. Duncan hatte gesagt, daß sie aus Afrika stammte und nur wenig Englisch sprach, aber sie mußte doch sicher ein paar Worte verstehen.
»Alles wird gut«, sagte ich noch einmal. »Hab keine Angst.«
Ganz mit meinem Pferd und meiner Mitreisenden beschäftigt, hatte ich Jamie nicht bemerkt, bis er plötzlich lautlos wie Rollo direkt neben mir erschien.
»Alles in Ordnung, Sassenach?« fragte er leise und legte mir die Hand auf den Oberschenkel.
»Ich glaube schon«, sagte ich. Ich deutete auf die verbissene Umklammerung, die meine Taille umschloß. »Sofern ich nicht ersticke.«
Er sah hin und lächelte.
»Na ja, zumindest läuft sie nicht Gefahr herunterzufallen.«
»Ich wünschte, ich wüßte etwas, was ich ihr sagen könnte; die Ärmste, sie hat solche Angst. Meinst du, sie weiß überhaupt, wo wir sie hinbringen?«
»Ich glaube es kaum - ich weiß ja selbst nicht, wohin wir unterwegs sind.« Er trug eine Reithose, hatte aber sein Plaid darübergegürtet und das lose Ende über die Schulter geschlungen. Der dunkle Tartan verschmolz mit den Schatten des Waldes wie früher mit den Farben der schottischen Heide; alles, was ich von ihm sehen konnte, war ein weißer Fleck, der von seiner Hemdbrust herrührte, und das bleiche Oval seines Gesichtes.
»Weißt du nicht irgend etwas Passendes, was du auf Taki-taki zu ihr sagen könntest?« fragte ich. »Es kann natürlich sein, daß sie das auch nicht versteht, wenn man sie nicht über die Westindischen Inseln hierhergebracht hat.«
Er wandte den Kopf und sah meine Mitreisende abschätzend an.
»Ah«, sagte er. »Also, es gibt ein Wort, das sie alle kennen, egal, wo sie herkommen.« Er streckte die Hand aus und drückte den Fuß der Frau.
»Freiheit«, sagte er und hielt inne. » Saorsa. Verstehst du, was ich sage?«
Sie lockerte ihren Griff nicht, doch ihr Atem kam in einem erschauernden Seufzer, und ich glaubte, ihr Nicken zu spüren.
Die Pferde folgten einander im Gänsemarsch, Myers vornweg. Der grobe Pfad war nicht einmal eine Wagenstraße, nur eine Art flachgetrampelte Spur im Unterholz, doch wir kamen auf diese Weise mühelos durch den Wald.
Ich bezweifle, daß Sergeant Murchisons Rachedurst uns so weit verfolgen würde - wenn er uns überhaupt verfolgte -, doch das Gefühl, auf der Flucht zu sein, war zu stark, um es zu ignorieren. Wir alle empfanden dasselbe unausgesprochene, aber allgegenwärtige Gefühl der Dringlichkeit, und ohne es zu besprechen, waren wir uns darüber einig, daß wir so weit wie möglich reiten wollten.
Entweder verlor meine Mitreisende ihre Furcht oder sie wurde so müde, daß ihr alles egal war, denn nach einer mitternächtlichen Erfrischungspause ließ sie sich von Ian und Myers ohne Protest wieder auf das Pferd helfen, und obwohl sie meine Taille nie losließ, schien sie doch ab und zu einzunicken, wobei sie die Stirn an meine Schulter preßte.
Auch mich ermüdete der lange Ritt allmählich, wozu auch das hypnotische, leise Hufgetrappel der Pferde und das endlose Säuseln
der Kiefern über uns beitrug. Wir befanden uns immer noch im Sumpfkiefernwald, und die hohen aufrechten Stämme um uns ragten wie die Masten längst versunkener Schiffe in die Höhe.
Die Zeilen eines uralten schottischen Liedes kamen mir in den Sinn - »Wie viele Erdbeeren wachsen im salzigen Meer; wie viele Schiffe segeln im Wald?« -, und ich fragte mich benommen, ob der Komponist wohl einmal in einem Wald wie diesem hier gewesen war, der sich unirdisch im Licht des Halbmondes und der Sterne ausbreitete, einem Traum so ähnlich, daß sich die Grenzen zwischen den Elementen auflösten - wir hätten genausogut auf dem Wasser wie auf festem Boden sein können, das Auf und Ab unter mir die Bewegung der Planken und das Säuseln der Kiefern der Wind in unseren Segeln.
In der Morgendämmerung machten wir halt, sattelten die Pferde ab, fesselten ihre Beine und ließen sie im hohen Gras einer kleinen Wiese fressen. Ich fand Jamie und rollte mich sofort neben ihm in einem Nest aus Gras zusammen. Das friedliche Kauen der Pferde war das letzte, was ich hörte.
Wir verschliefen die Tageshitze und erwachten kurz vor Sonnenuntergang, steif, durstig und mit Zecken übersät. Ich war zutiefst dankbar, daß die Zecken den Abscheu teilten, den die Moskitos vor mir empfanden, doch ich hatte mir auf
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