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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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lächelte zurück, steckte sich noch zwei der Paw-paw-Samen in den Mund und winkte Myers heran. Dabei kaute sie bereits, und die Samen zerplatzten mit einem leisen Knirschen, als sie sie zwischen ihren Zähnen zermahlte.
    Als wir gegessen hatten und zum Aufbruch bereit waren, hatte sie sich, wenn auch reichlich nervös, bereit erklärt, es einmal allein auf einem Pferd zu versuchen. Jamie brachte sie dazu, sich dem Pferd zu nähern, und zeigte ihr, wie sie das Tier an ihr schnuppern lassen sollte. Sie zitterte, als die große Nase sie anstupste, doch dann schnaubte das Pferd. Sie fuhr auf, kicherte - was sich anhörte, wie wenn man Honig aus einem Krug schüttet - und ließ sich dann von Jamie und Ian hinaufhieven.
    Pollyanne blieb den Männern gegenüber schüchtern, doch mir vertraute sie bald genug, um mit mir in einer polyglotten Mischung aus Gälisch, Englisch und ihrer Muttersprache zu reden. Ich hätte es nicht übersetzen können, doch ihr Gesicht und ihr Körper waren so ausdrucksvoll, daß ich oft erraten konnte, was sie sagte, obwohl ich nur jedes zehnte Wort verstand. Ich konnte nur bedauern, daß ich die Körpersprache nicht genauso beherrschte; sie verstand die meisten meiner Fragen und Bemerkungen nicht, so daß ich warten mußte, bis wir unser Lager aufschlugen und ich Jamie oder Ian bitten konnte, mir mit ein paar Brocken Gälisch auszuhelfen.
    Nachdem sie zumindest vorübergehend vom Druck des Schreckens befreit war und sie sich in unserer Gesellschaft immer sicherer fühlte, zeigte sich allmählich ihr überschäumendes Temperament. Während wir Seite an Seite ritten, redete sie ohne Punkt und Komma, ohne sich darum zu kümmern, ob ich sie verstand. Ab und zu brach sie in leise
johlendes Gelächter aus, das wie das Heulen des Windes in einem Höhleneingang klang.
    Nur einmal dämpfte sich ihre Stimmung: als wir über eine große Lichtung ritten, auf der sich das Grasland in seltsamen, sanft gewellten Hügeln erhob, als läge eine große Schlange darunter begraben. Pollyanne verstummte bei diesem Anblick, und als sie versuchte, ihr Pferd anzutreiben, zog sie statt dessen die Zügel an und brachte es zum Stillstand. Ich ritt zurück, um ihr zu helfen.
    »Droch àite« , murmelte sie und sah die schweigenden Hügel aus den Augenwinkeln heraus an. Ein schlimmer Ort. »Djudju.« Sie verzog das Gesicht und machte eine kleine, schnelle Handbewegung, ein Zeichen gegen das Böse, dachte ich.
    »Ist das ein Friedhof?« fragte ich Myers, der kehrtgemacht hatte, um nachzusehen, warum wir angehalten hatten. Die Hügel waren nicht gleichmäßig angeordnet, sondern erhoben sich am Rand der Lichtung, als wären sie künstlich angelegt. Sie erschienen mir allerdings zu groß für Gräber - es sei denn, es waren Grabhügel, wie sie in grauer Vorzeit in Schottland errichtet worden waren, oder Massengräber, dachte ich und erinnerte mich beklommen an Culloden.
    »Friedhof würde ich nicht sagen«, anwortete er und schob seinen Hut zurück. »Das war mal ein Dorf, wahrscheinlich der Tuscarora. Die Erhebungen hier« - er ließ die Hand darüber schweifen - »sind eingestürzte Häuser. Das große da an der Seite dürfte wohl das Langhaus des Häuptlings gewesen sein. Dauert nicht lang, bis da wieder Gras drüberwächst. Aber so, wie es aussieht, ist das hier schon seit einer ganzen Weile überwachsen.«
    »Was ist hier geschehen?« Ian und Jamie hatten ebenfalls angehalten und waren umgekehrt, um einen Blick auf die kleine Lichtung zu werfen.
    Myers kratzte sich nachdenklich den Bart.
    »Kann ich nicht sagen, nicht sicher. Kann sein, daß eine Krankheit sie vertrieben hat, kann sein, daß die Cherokee oder die Creek sie vertrieben haben, obwohl wir uns hier ziemlich weit nördlich von den Cherokee befinden. Wahrscheinlich ist es aber im Krieg passiert.« Er grub kräftig in seinem Bart, verdrehte die Hand und schnippte die Reste einer hartnäckigen Zecke fort. »Kann nicht sagen, daß ich hier freiwillig bleiben würde.«
    Da Pollyanne sichtlich derselben Meinung war, ritten wir weiter. Als es Abend wurde, hatten wir die Kiefernwälder des hügeligen Vorlandes hinter uns gelassen. Wir gewannen jetzt ernsthaft an Höhe, und der Baumbestand veränderte sich: kleine Kastanienhaine, weite,
mit Eichen und Hickorynußbäumen bestandene Flächen, dazwischen Hartriegel und Dattelpflaumen, Eßkastanien und Pappeln - wir waren umgeben von Wellen gefiederten Grüns.
    Auch die Luft roch anders und fühlte sich anders an, als wir an

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