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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hinter mir herführen, indem ich über das Wasser wandle?«
    »Dir fällt schon etwas ein«, sagte ich elend. »Wie immer.«
    Er warf mir einen seltsamen Blick zu, dann wandte er sich ab und schwieg einige Augenblicke, bevor er antwortete.
    »Mir ist nicht klar gewesen, daß du mich für den Allmächtigen hältst, Sassenach«, sagte er schließlich.
    »Das tue ich auch nicht«, sagte ich. »Für Moses vielleicht.« Die Worte waren scherzhaft, doch keiner von uns machte Witze.
    Er entfernte sich ein Stück, die Hände auf dem Rücken verschränkt.

    »Paß auf die Kletten auf«, rief ich hinter ihm her, als ich ihn auf den Ort meines Mißgeschicks zusteuern sah. Er änderte seinen Kurs, sagte aber nichts. Den Kopf nachdenklich gesenkt, ging er auf der Lichtung auf und ab. Schließlich kam er zurück und stellte sich vor mich.
    »Ich kann es nicht allein«, sagte er leise. »Da hast du recht. Aber ich glaube nicht, daß ich mir meine Siedler in Schottland suchen muß.«
    »Sondern?«
    »Meine Männer - die Männer, die mit mir in Ardsmuir waren«, sagte er. »Sie sind schon hier.«
    »Aber du hast doch keine Ahnung, wo sie sind«, protestierte ich. »Und außerdem sind sie vor Jahren deportiert worden! Sie werden sich längst irgendwo niedergelassen haben; verdammt, sie werden kaum ihre Zelte abbrechen und mit dir ans Ende der Welt kommen wollen.«
    Er lächelte, etwas ironisch.
    »Du hast es auch getan, Sassenach.«
    Ich holte tief Luft. Die bohrende Furcht, die mein Herz wochenlang belastet hatte, hatte nachgelassen. Doch jetzt, da ich von dieser Sorge befreit war, konnte ich mich mit der überwältigenden Schwierigkeit der Aufgabe befassen, die er sich gestellt hatte - Männer aufzuspüren, die über drei Kolonien verstreut waren, sie zu überreden, sich ihm anzuschließen, und gleichzeitig genug Kapital aufzutreiben, um die Rodung des Landes und seine Bepflanzung zu finanzieren. Ganz zu schweigen von dem enormen Arbeitsaufwand, der dazu gehörte, dieser jungfräulichen Wildnis eine kleine Niederlassung abzuringen.
    »Mir fällt schon etwas ein«, sagte er und lächelte leise, als er Zweifel und Unsicherheit über mein Gesicht huschen sah. »Wie immer, aye?«
    Mein Atem entwich in einem langen Seufzer.
    »Wie immer«, sagte ich. »Jamie - bist du sicher? Deine Tante Jocasta -«
    Er tat die Möglichkeit mit einer Handbewegung ab.
    »Nein«, sagte er. »Niemals.«
    Ich zögerte immer noch, denn ich hatte ein schlechtes Gewissen.
    »Du würdest nicht - es ist nicht nur meinetwegen? Was ich über die Sklavenhaltung gesagt habe?«
    »Nein«, sagte er. Er hielt inne, und ich sah die beiden verkrümmten Finger seiner rechten Hand zucken. Er sah es auch und hörte abrupt mit der Bewegung auf.

    »Ich habe wie ein Sklave gelebt, Claire«, sagte er leise mit gesenktem Kopf. »Ich könnte nicht in dem Bewußtsein leben, daß es einen Menschen auf der Welt gäbe, der mir gegenüber das empfände, was ich gegenüber jenen empfunden habe, die glaubten, mich zu besitzen.«
    Ich streckte die Hand aus und bedeckte seine verkrüppelte Hand mit der meinen. Tränen liefen mir über die Wangen, warm und wohltuend wie Sommerregen.
    »Du verläßt mich nicht?« fragte ich schließlich. »Du stirbst nicht?«
    Er schüttelte den Kopf und drückte mir fest die Hand.
    »Du bist mein Mut, wie ich dein Gewissen bin«, flüsterte er. »Du bist mein Herz - und ich dein Mitgefühl. Keiner von uns beiden ist ohne den anderen vollständig. Weißt du das nicht, Sassenach?«
    »Doch, das weiß ich«, sagte ich, und meine Stimme zitterte. »Deshalb habe ich ja solche Angst. Ich will nicht wieder ein halber Mensch sein, ich kann es nicht ertragen.«
    Er strich mir mit dem Daumen eine Locke von der feuchten Wange und nahm mich in die Arme, so nah, daß ich spüren konnte, wie sich seine Brust beim Atmen hob und senkte. Er war so wirklich, so lebendig, sein rotes Haar gewelltes Gold auf bloßer Haut. Und doch hatte ich ihn schon einmal so festgehalten - und ihn verloren.
    Seine Hand berührte meine Wange, warm trotz der Feuchtigkeit meiner Haut.
    »Aber verstehst du nicht, wie belanglos der Gedanke an den Tod für uns beide ist, Claire?« flüsterte er.
    Meine Hände ballten sich auf seiner Brust zu Fäusten. Nein, ich fand den Gedanken nicht belanglos.
    »Die ganze Zeit nach unserem Abschied, nach Culloden - damals war ich doch tot, oder?«
    »Das habe ich gedacht. Darum habe ich - oh.« Ich atmete tief und zittrig ein, und er nickte.
    »In zweihundert

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